Ausflug nach Agios Nikólaos



Ein wolkenverhangener Himmel versprach Regen. Dieser Umstand und eine Baustelle in exponierter Höhe über Archánes, von wo Presslufthammerlärm den ganzen Ort beschallte, brachten uns zu der Entscheidung, eine Bustour zu unternehmen. Wir wollten nach Agios Nikólaos.

Gegen 10.00 Uhr fuhr unser Bus in Archánes ab, um 11.00 Uhr verließen wir die Bushaltestelle in Iráklion in Richtung Osten. Ca 1 ¾ Stunden sollte die Fahrt dauern.
Recht zügig kamen wir voran und wühlten uns schon bald hinein in das Touristenmekka der Nordostküste. Vereinzelt kleine, verlassen wirkende Häuschen neben Hotel- und Appartmentanlagen, Tennisplätzen, Pools und Rohbauten. Ein Vorteil: Hier gibt es alles, was das Touristenherz begehrt, ohne dass man weit fahren oder Griechisch können muss. Austauschbare Urlaubskonsummeilen, die sich genauso gut in Tunesien, Spanien oder sonstwo befinden könnten. Der Bezug zu Griechenland/Kreta? Keine Ahnung.
Aus dem Bus heraus betrachtet wurde uns live und in Farbe klar, dass wir hier, inmitten von Hotels, Geschäften und an der Durchgangsstraße, im Leben keinen Urlaub verbringen würden. Chersónissos, Mália: ein dickes OXI aus unserer Sicht.

Immer mehr Touristen stiegen unterwegs zu, der Bus war voll besetzt. Die Idee, einen Tag in AN zu verbringen, hatte auch so manch anderer. Dunkle Wolken hingen tief über dem Díkti-Gebirge, in dessen Vorberge wir nun hinein fuhren. Kleine Dörfer auf Anhöhen, Kapellen, wenige Einheimische, die den Bus unterwegs verließen. Schroffe Felsen rechts und links der Straße.

Wir hatten ja mit dem Gedanken gespielt, einen Tag auf der Lassíthi-Ebene zu verbringen. Ein Bus wäre nur spät nachmittags hinauf gefahren, eine Übernachtung hätten wir mindestens mitnehmen müssen. Gut, dass wir das um diese Jahreszeit nicht mehr gemacht haben, denn das Wetter da oben sah nicht gut aus, und kalt war es in der Höhe sicherlich auch.

Schließlich erreichten wir Neápolis, ein kleines Städtchen, das urgemütlich und ursprünglich wirkt, sehr sympathisch. Spontan kam mir die Idee, hier einmal ein paar Tage zu verbringen. Sicherlich ein guter Ausgangsort für Wanderungen in die Umgebung. Ein Schild dort an der Platía verweist auf die dorische Siedlung „Dríros“, eine Ausgrabungsstätte in der Nähe.

Nachdem der Bus gewendet hatte, eilten wir nun durch die wolkenverhangene Bergwelt Ostkretas in Richtung AN. Unterwegs stieg eine ältere kretische Frau aus dem Bus, nachdem sie in tiefer Verbeugung dem Busfahrer die Hand geküsst hatte.


Kaum waren wir in AN angekommen, fing es prompt zu regnen an. Diesmal hatten wir Schirme eingesteckt, daher störte uns das Wetter überhaupt nicht. Zunächst überquerten wir die breite Straße, die vom Busbahnhof wegführt und strebten dann dem Zentrum bzw. dem berühmten Hafenrund zu. Wirklich pittoresk und kaum besucht, der Süßwassersee, ganz ruhig um diese Zeit. Wir beschlossen, den Regenguss, der sich nun doch verstärkt hatte, in einem Café hier am Ufer abzuwarten.


Stolze 2,50 € (also 5,00 DM !! - oder darf man das heute nicht mehr sagen?) blätterten wir für die Tasse heißes Wasser hin, Kaffee und Zubehör gab es in Tüten dazu. Hier bezahlt man das Ambiente und die Aussicht, den Platz direkt am Wasser, unterhalb des Felsens.
Langsam tuckerte ein Boot in das ruhige Gewässer hinein zum Ankerplatz, der Kapitän saß aufrecht und ruhig und hielt einen großen Schirm über sich.

Ein Kellner kam aus unserem Café heraus und wir unterhielten uns ein wenig. Er sei schon häufig in Deutschland gewesen, habe verschiedene Städte besucht, berichtete er. Am besten habe ihm Frankfurt gefallen. Wegen der Skyline. AN sei ruhig, meinte er, nicht zu vergleichen mit Mália. Ein freundliches Städtchen. Kann ich mir auch vorstellen, denn es wirkt irgendwie gemütlich, wenn auch klar auf Tourismus ausgerichtet.

Der Regen hatte mittlerweile aufgehört. Wir schauten uns noch ein wenig um und spazierten dann auf der Uferstraße um die halbe Stadt herum. Geschmackvoll hergerichtete Häuser. Die Menschen gingen gelassen ihren Geschäften nach.



Geschäfte jeglicher Art gab es unterwegs genug, auch Unterkünfte mit phantasievollen Aufgängen.


Ein stadtinterner Strand, der in meiner Erinnerung einigen Tavernen vorgelagert ist, lud in unseren Augen nicht wirklich zum Sonnenbaden ein. Vielleicht lag es auch bloß am Wetter. Die Tavernen waren jedoch gut besetzt. Es wurde zu Mittag gespeist.


Das Wahrzeichen (?) von AN, eine auffällig geformte Skulptur, die von weitem ein wenig an eine Robbe erinnert, passierten wir auf unserem Weg, der nun zielstrebig zum Jachthafen führte.


Nobel geht die Welt zugrunde! Wirklich sehr schöne und luxuriös wirkende Schiffe lagen hier vor Anker, Millionen von Euros dümpelten im Wasser vor sich hin.



Den Rest des Städtchens nahmen wir als modernen Ort mit aller Infrastruktur und aufmerksamer Freundlichkeit der Bewohner wahr. Tatsächlich war hier touristisch für diese Jahreszeit noch einiges los, am besten besucht waren allerdings die Esslokale. Die Wirte werden sich über den Regen gefreut haben.



Den Ausflug nach AN haben wir sehr genossen, fühlen uns zum Wohnen jedoch in den kleinen Dörfern mit ihrer fast schon intimen Atmosphäre wohler. Es liegt nicht an AN, es liegt an der Art des Tourismus, die uns hier einmal mehr begegnet: Passives Konsumieren, so wie es wohl auch gedacht ist. Wäre uns einfach zu langweilig, einen ganzen Urlaub so zu verbringen. Geschmäcker sind eben verschieden.

Für die Fahrt zurück mussten wir dann noch eine Stunde warten, der Bus, den wir eigentlich nehmen wollten, war ein paar Minuten zu früh abgefahren. So verbrachten wir die Zeit am Busbahnhof, von der Nachmittagssonne mittlerweile wieder gewärmt.

Zurück in Iraklion herrschte reges Treiben am Busbahnhof A. Zwei Busse standen für weitere Fahrten bereit, einer nach Thessaloniki, der andere nach Ioánnina im Ipirus. Unglaublich, man durchquert das Land von Süd nach Nord für nur 33,00 € bzw. 31,00 € zzgl. Fährenticket mehrmals die Woche, und so wie es aussieht, wird der Service sehr gut genutzt.




Mittlerweile war es schon fast dunkel geworden, die beiden Fähren von Minoan und ANEK nach Piräus hell erleuchtet und abfahrbereit schräg gegenüber des Busbahnhofs. Es juckte mich in den Beinen. Wie gerne wäre ich mitgefahren, z.B. nach Ioánnina. So lange bin ich mit keiner Fähre mehr gefahren. Insbesondere die großen, behäbigen Pötte mag ich sehr.

Von unserem Bus aus, der stadtauswärts schließlich in Richtung Archánes fuhr, sahen wir, wie lebendig Iráklion am frühen Abend ist. Auch an diesem Montag tobte der Bär, ein nie enden wollendes Verkehrsgewusel, unzählige geöffnete Einzelhandelsgeschäfte, viele Menschen unterwegs.
Im Vergleich dazu sterbende Innenstädte in Deutschland, kaum noch kleinere, individuelle Geschäfte für die unterschiedlichen Geschmäcker, und wenn doch, dann sauteuer. Ansonsten Einheitsfußgängerzonen mit den Einheitsgeschäften der Einkaufsketten oder 1€-Läden, alles austauschbar.

Hier in Iráklion pulsierte das Leben, viele Menschen auf den Straßen, überall die kleinen Grillbuden und Cafés mit besetzten Tischchen. Doch, ich mag Iráklion sehr.

Ein Nachmittag in Iráklion