![]() Es war Sonntag und wir beschlossen, den Nachmittag in Iráklion zu verbringen. Der Bus verkehrt zwischen Archánes und der Inselhauptstadt sonntags längst nicht so oft wie an den Wochentagen, so dass wir eine geraume Wartezeit an der Bushaltestelle in und vor dem Café „Proedreío“ verbrachten. Dieses Café befindet sich gegenüber der Fernuni an der Hauptstraße und ist ganz edel ausstaffiert. Wir saßen auf einer gepolsterten Bank im Nebenraum und schlabberten einen Cappuccino. Ganz lässig, so wie die gestylte Jugend von Archánes. Ein Bus kam aus Iráklion die Straße herauf gefahren. Schnell zahlten wir und stürzten nach draußen, doch die Rückkunft zog sich noch erheblich in die Länge. Also standen wir vor dem Café in der Mittagssonne und plauderten. Plötzlich merkte ich, wie von oben etwas mit Karacho auf meine Schulter plumpste. Es darf echt nicht wahr sein! Beim Blick nach oben entdeckte ich eine Taube, die sich schamlos aus luftiger Höhe erleichtert hatte. Zum Glück wurde nur mein Rucksackträger getroffen, sodass der Klumpen relativ leicht entfernt werden konnte. Auf der Fahrt in die Stadt bestaunten wir das große Aquädukt vom Bus aus und fuhren an den Kitschläden von Knossós vorbei. In diese Anlage wird man mich nur mit Gewalt oder noch zu erfindenden, sehr guten Argumenten bringen. Wie anders wirkt dagegen Phaestós. Doch dazu später. Der Bus schob sich durch den typisch iraklesischen Verkehrsstau und steuerte schließlich den Bahnhof am Hafen an. Eine Bombenschwüle empfing uns, die Temperaturen waren hier wesentlich höher als in Archánes. Dem ersten Kreislaufflash begegneten wir in der Bushaltestelle mit kaltem Wasser vom Kiosk und einer längeren Zeit auf der langen Holzbank an der Wand. Hier sitze ich recht gern und nehme die Besucher wahr: Kreter, die sich auch hier zu einer Paréa zusammengefunden haben und aufmerksam alles mitbekommen, was um sie herum geschieht, Touristen, die sich ausruhen oder am Schalter Schlange stehen, andere, die einfach nur auf die Abfahrt ihres Busses warten. Nach dieser Rast brachen wir zu einem Spaziergang auf. Zunächst hatte ich Lust, mir den Fährhafen anzusehen. ![]() Früher konnte man problemlos bis direkt zu den Landeluken der Schiffe gehen, heute wird man weitschweifig umgeleitet, alles ist auf den Autoverkehr abgestimmt. An diesem Tag war es so unerträglich schwül, dass wir dann doch beschlossen, den Fährhafen Fährhafen sein zu lassen und uns lieber vorsichtig in Richtung venezianischem Hafen zu schieben. Dort angekommen ließen wir uns gleich wieder in einem Café bei den Anlegern der Jachten nieder. Eine eiskalte Cola war unser Begehr, und Schatten. Ganz langsam erholten wir uns wieder von der drückenden Schwüle und genossen es, so wie viele Griechen, gemütlich den Sonntag direkt am Wasser zu vertrödeln. ![]() Viel später unternahmen wir doch noch einen Spaziergang bis hinüber zum venezianischen Fort. Unterwegs verglichen wir die verschiedenen Fischkutter und schossen jede Menge Fotos. Es war nur wenig Betrieb, ein paar Spaziergänger wagten sich wie wir durch die brüllende Hitze. Bis hinter das Bollwerk gingen wir, doch weiter wäre der Weg uns zu beschwerlich gewesen. Auf jeden Fall wollte ich mir aber noch die fertig gestellte Fußgängerzone ansehen, in die sich die 25.-August-Straße jetzt verwandelt hat. Als erstes begegnete uns ein Jugendlicher auf einem Knattermoped, der auf dem Hinterrad durch die jetzt autobefreite Straße donnerte. Viele Straßenlaternen und wenige Cafés, wo man jetzt draußen Platz nehmen kann, fielen mir auf. Fast alle Häuserfronten sind neu renoviert und in Pastell gehalten. ![]() ![]() Die gesamte Hafenfront, vom Fort aus betrachtet, sieht viel sauberer und gepflegter aus als früher, das venezianische Mauerwerk gesäubert, die Häuser angestrichen. Selbst das Hotel "Marin" mit seiner Topplage, das vor ein paar Jahren noch in einem jämmerlichen Zustand war (heraushängende Stromkabel, versiffte Wolldecken im Zimmer), macht von außen jetzt einen sehr passablen Eindruck. Mir deucht, hier sind viele Gelder geflossen. Unser Weg führte uns also durch die nun angenehm verkehrsberuhigte Gasse bis zur Tituskirche.
![]() Immer, wenn ich hier bin, besuche ich diese Kirche, die für mich eine der schönsten ist.
An den oberen Wandbereichen befinden sich riesige Gemälde. Bunte Fenster lassen warmes Nachmittagslicht herein, Rosetten erinnern an gotische Elemente, geschwungene Spitzbögen an den Orient. Kunstvolle Holzschnitzereien in der breiten Altarwand finden sich in fast allen anderen hölzernen Teilen der Kirche wieder: im Chorgestühl, dem Epitáphos und den kleineren Seitenaltären. Vor dem Ieró, dem Allerheiligsten, stand ein Metallgestell, von weißen Blumen eingerahmt und dezentem Licht angestrahlt. Zwei Geistliche waren mit Vorbereitungen beschäftigt, ich vermutete, einer Beerdigung, was sich bald darauf auch bestätigte. Als der Sarg herein getragen wurde, verließen wir Touristen alle die Kirche. Ganz langsam trödelten wir in Richtung Busbahnhof und freuten uns trotz des schönen Nachmittags in Iráklion wieder auf das höher gelegene und dadurch erträglich kühle Archánes. |