Nach erholsamem Schlaf in einem Hotel am Oststrand Paleóchoras eröffnet ein üppiges Frühstück auf halbem Weg zum kleinen Fähranleger meinen Tag auf wohltuende Weise.
Doch schon bald tritt nacktes Gestein zutage, das sich im klaren Wasser widerspiegelt. Die Kamera schussbereit, verfolge ich unsere Route auf meiner präparierten Karte, die ich aus vielen detallierten Einzelabschnitten zusammengeklebt habe. Ich kann mich nicht satt sehen an den Kontrasten von glatter, kaum gekräuselter Meeresoberfläche und steil abfallenden Felsen.
![]() Endlich die tiefe Einkerbung, eine bereits vernarbte Wunde, die weit ausladende, charakteristische Linkskurve, die selbst auf Satellitenbildern, vom Weltall aus gesehen, eindeutig identifizierbar ist; es ist die Einkerbung der Samariáschlucht mit den wenigen Häusern von Agia Rouméli am Meer. *****
Ähnlich wie auf Santorin beschäftigt mich auch hier die Frage, wodurch dieses intensive Wohlbefinden beim Betrachten der Landschaft ausgelöst wird. Vielleicht sind es die klaren Grenzen zweier gegensätzlicher Elemente. Kein Zweifel, weiches Wasser trifft auf harten Stein. Und obwohl man sich selbst in Bewegung befindet, und sei es nur auf einer Schiffspassage, so kann man seine eigene Position doch sehr gut bestimmen. Möglicherweise ist es die frische, kühle, glatte Reinheit des Meereswassers, das auf uraltes Gestein trifft, welches sich über Jahrmillionen bis zur heutigen Gestalt entwickelt hat, gewachsen ist. Unbewegtes Wasser als Spiegel für das zerfurchte Antlitz der bewegten Erdgeschichte. Und dabei ist es das Wasser, das während eines jeden Wimpernschlages eine neue Daseinsform gebiert. Und es ist das Gestein, das – aus der Perspektive eines Menschenlebens betrachtet – unbewegt „wie ein Fels in der Brandung“ dort steht, scheinbar unverrückbar, unzerstörbar, zuverlässig. Nur ein scheinbarer Widerspruch, denn beide Elemente durchdringen sich. Fels wächst aus der unterseeischen Tiefe, um sich schließlich verzerrt im tiefen Blau der Meeresoberfläche widerzuspiegeln. Vermutlich hat es auch etwas damit zu tun, dass man angesichts der Großartigkeit der offen erkennbaren Geschichte der Erde und damit auch unserer eigenen Evolutionsgeschichte ins Grübeln kommt. Mir wird in solchen Augenblicken immer bewusst, wie einfach das Leben IST, anspruchslos, klar, schön, schnörkellos. Balsam für die gestresste Seele der heutigen Zeit, die den Anforderungen des Alltags gewachsen sein muss, weit entfernt von solcher Erhabenheit. Es tut gut, wenn es gelingt, ein kleines Stück dieses inneren Bildes mitzunehmen ... um auf der morgendlichen Fahrt zur Arbeit genau dieses Bild heraufzubeschwören, sich zurücklehnend, lächelnd und wissend. ![]() |