Die holozäne Wasserstandsmarke




Wie auf dem Foto gut erkennbar, ist die Wasserstandslinie zu Vorzeiten auf höherem Niveau verlaufen als heute. Auf der Suche nach Erklärungen bin ich im Internet auf die Seite der Ruhruniversität Bochum, Institut für Geologie, Mineralogie und Geophysik gestoßen. Per Exkursionen wurde die „Hellinistische Subduktionszone - Kreta und Santorin“ untersucht. Ein Foto ist folgendermaßen untertitelt:

"Holozäne Wasserstandsmarke

An der kretischen Südküste bei Sougia liegt die holozäne Wasserstandsmarke etwa 6 m über dem heutigen Meeresspiegel (westlich Paleochora 8 m, bei Plakias dagegen nur 1 m). Dies wird auf (eine) schlagartige Heraushebung bei einem großen Erdbeben im Juli 365 A.D. zurückgeführt; über die verheerenden Tsunamis wird von Alexandria bis Sizilien berichtet."



Professor Stöckhert, Leiter der Arbeitsgruppe "Endogene Geologie, Tektonik und Magmatismus", hat mir freundlicherweise per Mail einige Aufschlüsse dazu gegeben. Hier ein Auszug:


(…) Was bedeutet eine „Holozäne Wasserstandsmarke“?
Das ist eine durch die Brandung entstandene Hohlkehle (Vertiefung in der steilen Felswand), an der sich auch Algenkrusten aus Ca-Karbonat gebildet haben. Die Datierung hat ergeben, dass die jüngsten Krusten etwa 1800 +/- 200 Jahre (etwa; aus dem Kopf) alt sind, also aus dem Holozän (aus den letzten ca. 10 000 Jahren) stammen. Daher holozäne Wasserstandsmarke.

Wie hat man als Ursache für die "schlagartige Heraushebung" dieses Erdbeben im Juli 365 hergeleitet? Gibt es darüber gesicherte Erkenntnisse?
Den Zeitpunkt des Erdbebens kennt man aus geschichtlicher Überlieferung. Am Vormittag des 21. Juli 365 wurden sowohl Alexandria (Ägypten), als auch Syrakus (auf Sizilien) nahezu zeitgleich, wie viele andere Städte im östlichen Mittelmeer, von verheerenden Tsunamis verwüstet.

Bedeutet "plötzlich" tatsächlich die Dauer eines Erdbebens oder mehrere Jahre / Jahrzehnte? Ist die Bewegung zum Stillstand gekommen? Wo soll dieses Erdbeben stattgefunden haben?
Kreta liegt in der Mitte und die schlagartige Hebung im Westen passt aufgrund der Datierung der jüngsten Algenkrusten zeitlich zu diesem Ereignis. Eine derartige Hebung bei einem großen Erdbeben (geschätzte Magnitude etwa 8,x) erfolgt in Sekunden bis Minuten.

Wie verläuft diese Hebung (je westlicher, desto höher, die gesamte Westküste inbegriffen, sodass z.B. Ausgrabungen bei Falássarna einen Hafen freilegten, der jedoch ziemlich weit vom Meer entfernt ist)? Kann ich mir das so vorstellen, dass die Insel nach Osten hin "gekippt" ist?
Genau so. Nach Osten taucht die holozäne Wasserstandsmarke unter den heutigen Meeresspiegel ab.


Überliefert wurde die Verwüstung Alexandrias durch die Flutwelle unter anderem durch Ammianus Marcellinus, einem römischen Geschichtsschreiber griechischer Herkunft. In dem Geschichtswerk des Historikers, der "Res Gestae", XXVI. Buch, befasst sich das Kapitel 10.15-19 mit der "Tsunami of 21. July 365":
Lateinischer Text

Zur Person:
Ammianus Marcellinus I
Ammianus Marcellinus II