Santorini -
Überfahrt, Kamári, Oia


Schon recht früh machen wir uns auf den Weg zum Hafen von Iráklio. Das Zimmer in Kalamáki war wunschgemäß vorausbezahlt worden, sodass wir abfahren können, ohne jemanden wecken zu müssen. Kaffee gibt es so früh noch nirgendwo im Ort, denn gerade erst ist die Sonne aufgegangen. Leise beladen wir den Mietwagen und schon sind wir unterwegs.

Als wir in Kamilári, gegenüber dem Friedhof, nach rechts abbiegen, wird das Licht der noch tief stehenden Sonne zigfach durch die Eukalyptusbäume am Straßenrand gebrochen, sodass ein flirrendes Muster von Hell und Dunkel auf der Straße entstanden ist. Ganz allein sind wir hier unterwegs, durchfahren das blendende Lichtspiel. Dabei kommt etwas Wehmut auf ob unseres nur sehr kurzen Aufenthaltes auf Kreta, denn in diesem Augenblick erinnere ich mich an einige ähnlich schöne, frühmorgendliche Naturerlebnisse in der Region. Vielleicht sollten wir doch einmal wieder einen längeren Aufenthalt einplanen.

Gemütlich tuckern wir über die Hauptstraße, rollen durch das noch schlafende Pétro Kefáli und das gerade erwachende Míres. Bald schon haben wir den nördlichen Ausläufer der Messará durchquert und fahren zur Inselüberquerung die Kurvenstrecke bergan, schauen immer wieder hinunter und genießen den Blick in die diesige Landschaft der Messará, die vom Sonnenlicht zart beschienen wird. So sanft die Ebene von hier oben erscheinen mag, so gnadenlos heiß wird es am heutigen Tag dort wieder werden. Um die vierzig Grad sind gemeldet. Auf den Kykladen wird es sicherlich etwas erträglicher sein.
Wir sind noch so früh an, dass wir in Agiá Varvára einen Zwischenstopp zum Frühstücken einlegen können, früher eine fast schon kultische Handlung. In Agia Varvára zu stoppen gehörte absolut zu jedem Südküstenbesuch oder –aufenthalt oder zu einer –rückkehr dazu. Man nahm dann den darauffolgenden Bus, um die Fahrt fortzusetzen. Messará-Besucher vergangener Jahrzehnte werden sich noch gut daran erinnern können.
Agia Varvára bietet heute eine gute Infrastruktur. Sogar ein Zentrum mit Ärzten und Sozialarbeitern gibt es hier, die sich um die Belange der Menschen in den Bergdörfern der Region kümmern. Nicht zu vergessen auch die Windkraftanlage in der Nähe, die bis in die Messará hinein Haushalte mit Strom versorgt.

So früh an diesem Morgen finden wir auch hier erst ein einziges geöffnetes Café. Wir setzen uns auf die der Straßenseite zugewandte Terrasse. Wie eh und je brettern LKWs und Baufahrzeuge mit ohrenbetäubendem Lärm auf der Transitpiste durch den Ort.
Nach wenigen Minuten erhalten wir Kaffee und Toast. Ein älterer Herr sitzt stoisch auf seinem Stuhl und schaut uns beim Essen zu. Wetten, das er darüber nachdenkt, ob Alex ein Grieche ist oder ein Araber oder doch ein Israeli ... aber mit sehr guten Griechisch-Kenntnissen?
Der einfache und saubere Toilettenraum hier birgt noch eine kleine Überraschung, mit einer Toilettenpapierhalterung, die originellerweise knapp unter der Decke, oberhalb der Fliesen, in etwa 1,80 m Höhe, mit dicken, langen Stahlnägeln angebracht ist, die zentimeterlang aus der Betonwand herausragen.


Überfahrt

Ich muss gestehen, dass ich gehörigen Respekt vor der Reise mit dieser Fähre hatte, weil mir auf einem kleineren Schiff (einem Flying Dolphin), auf dem man sich ebenfalls während der Fahrt nicht draußen aufhalten durfte, vor einigen Jahren schon einmal sehr, sehr schlecht geworden war. Doch die Φλαινγκατ 4 (Flying Cat) der Hellenic Seaways ist wesentlich größer und geräumiger, bilde ich mir ein. Leider gab es nach unseren Recherchen kaum ein Angebot für eine „normale" Fähre, sodass wir schon fast gezwungen sind - will man nicht zu Nachtzeiten herumreisen - eines dieser preislich anspruchsvollen Schnellboote zu nehmen.
Am Vorabend hat man in den Nachrichten Wind gemeldet. Um der Seekrankheit vorzubeugen, versuche ich es mit Reisekaugummi. Das sich einstellende Taubheitsgefühl auf der Zunge und im Rachen trägt nicht unbedingt zu einem guten Gefühl bei, als wir die Fähre bei schaukelnden Wellen besteigen. Zwei Stunden lang werde ich es wohl aushalten, falls es überhaupt zum Unwohlsein kommen wird. Damals waren es vier, und ich dachte, dass ich das Schiff bei der Ankunft nicht aufrecht gehend verlassen könnte.

Bevor wir zusammen mit vielen anderen Passagieren im klimatisierten Inneren der „Fliegenden Katze" Platz nehmen, lassen wir den Blick ein wenig im Hafen herumschweifen, saugen die letzten frischen Sauerstoff- bzw. Nikotinpartikel ein.


Danach suchen wir unsere reservierten Plätze auf. Gut, das wir die Tickets vorab erworben haben (48,00 € pro Person – Stand 18.7.2011), denn das Schiff ist vollends ausgebucht.
Auf dem Großbildschirm verfolgen wir die Nachrichten des Tages. Der Taxifahrerstreik hat sich ausgeweitet. Im Flughafen von Iráklio geht zur Zeit nichts mehr, Taxler sollen ihn dichtgemacht haben, um ihren Forderungen mehr Gehör zu verschaffen. In den Krankenhäusern wird ebenfalls gestreikt, und in Kavála rüstet man sich gerade zu einem Demonstrationszug. Ein Land im Aufruhr?
Währenddessen schaukelt die Fähre nach Verlassen des Hafenbeckens durch tiefe Wellentäler kräftig von rechts nach links und zurück, sodass die Gischt bis an die Fenster spritzt. Nur langsam gewöhne ich mich an den Rhythmus; die anderen Fahrgäste scheinen unbeeindruckt, strömen unentwegt zum Essens- und Getränkeschalter. Ein paar braungebrannte Jungs umgarnen die nette Fährbegleiterin, während auf dem Meer weiße Schaumkronen tanzen.

Irgendwie finde ich jetzt doch Geschmack an der schnellen und modernen Art des Reisens (aber nur, wenn der Wellengang nicht höher wird). Wer es eilig hat, ist mit diesem Schiff wirklich fix unterwegs; in zwei Stunden von Kreta nach Santorini – ideal für die sommerlichen Island-Hoppers. Allerdings kann man das sonnenbeschienene Meer nicht sehen, weil die Fenster wie bei einem Regenguss unentwegt nassgespritzt werden und Jalousien die sonnenzugewandte Seite abdunkeln.
Eine französische Familie sitzt hinter uns. Ihr kleiner Pfiffikus findet Gefallen daran, um die Sitze herumzuwanken, denn laufen kann er noch nicht richtig. Zusammen vertreiben wir uns ein wenig die Zeit.

Am späten Vormittag treffen wir im Kraterrund von Santorini ein. Für mich gehört es einfach dazu, bei der Einfahrt in die Caldera den Blick auf die hohen Klippen mit den darüber thronenden Orten schweifen zu lassen, die Dimensionen der Felssichel und die Farbkontraste des Gesteins aus der Meerperspektive wahrzunehmen, mir auf diese Weise klarmachen zu können, dass wir uns eigentlich inmitten eines Vulkankegels befinden!
Wir hingegen bekommen im Schiffsbauch nur das Drosseln der Motoren mit und ahnen, dass wir bald anlegen werden. Schade, aber na gut.
Viele Passagiere haben sich schon in einer Reihe in Richtung Ausgang aufgestellt, fast nur junge Leute. Nach dem schnellen Anlegemanöver ziehen wir so ziemlich als letzte unsere Rollkoffer, die am Eingang deponiert wurden, aus der Gepäckmasse heraus und verlassen das Schiff. Irgendwie bin ich doch froh, wieder festen Boden unter den Füßen zu haben.


Relaxen in Kamari

Eigentlich hatten wir nicht vor, für die kurze Zeit auf der Insel (grob geplant sind zwei Tage) ein Auto zu mieten, wollten lieber den öffentlichen Nahverkehr oder Taxen benutzen.
Durch den Taxifahrerstreik beschließen wir jedoch spontan, schon direkt im Hafen nach einer Autovermietung Ausschau zu halten. Wir werden auch sogleich von einem Vermittler freundlich angesprochen. Entgegen unserer Befürchtung überteuerter Preise kostet der Kleinwagen 32 € am Tag und ist in einer wesentlich besseren Verfassung (neu!) als die vorbestellte Schleuder von Iráklio mit den abgefahrenen Reifen.
Als Dreingabe erhalten wir auf Nachfrage noch den freundlichen Tipp, uns in Kamári auf Zimmersuche zu begeben, wenn wir es etwas ruhiger mögen. Ich bin gespannt, ob wir überhaupt ein Zimmer bekommen, wir haben ja nicht vorgebucht, und im Juli sind die einschlägigen Inseln Santorini, Paros, Ios und Mykonos normalerweise sehr gut besucht.

Endlich können wir auch unsere mitgebrachte Musik hören (der CD-Player im Kreta-Auto war gar nicht vorhanden, das Radio defekt), während Alex uns mit dem Auto aus dem Hafen die Serpentinen nach oben schraubt. Schon auf halber Höhe halten wir an, genießen den überwältigenden Blick auf das blaue ägäische Meer entlang der dunklen Vulkanküste und freuen uns, endlich auf Santorini zu sein.


Mit welchem Mut die Menschen hier den Vulkan nach dem letzten großen Ausbruch wiederbesiedelt haben! Wer weiß, ob es nicht doch wieder zu einer solch gigantischen Eruption kommen kann, so wie damals, vor mehr als 3500 Jahren, als das Meer brodelte und kochte und die Erde eine neue Insel gebar.

Mit offenen Scheiben, den lauen Wind um die Nase und griechischer Musik in den Ohren überqueren wir die Hügelkette, die die steil abfallenden Klippen im Westen von der sanft nach Osten gleitenden Landschaft trennt, und folgen der Beschilderung nach Kamári, auf der dem Krater abgewandten Seite.
Durch mehrere wunderschöne Eukalyptusalleen führt die Straße hinab Richtung Küste, vorbei an einigen Weinfeldern und durch kleine, gemütliche Ortschaften.
Kamári empfängt uns in der Mittagszeit mit hochsommerlich heißen Temperaturen, sodass es uns automatisch zum Meer hinzieht. Nachdem wir langsam rollend einige Straßen abgeklappert haben, stellen wir das Auto auf einem öffentlichen Parkplatz ab. In der Nähe finden wir auch ein kleines Zimmer, für uns ausreichend. Wir zahlen 42,00 Euro (zzgl. 5,00 € für die Aircondition) die Nacht, ein annehmbarer Preis für Santorini im Juli, ohne Vorbestellung und nur ca. hundert Meter von der Wasserlinie entfernt.

Nachdem wir unser Gepäck im Zimmer abgeladen haben, möchten wir eine Kleinigkeit an der Strandpromenade zu uns nehmen. Wie gemütlich ruhig und doch belebt es hier ist, wunderbar und gar nicht, wie ich es mir vorgestellt hatte.



Viele Gäste baden jetzt zur heißen Zeit am grauen Kieselstrand. Entspannt beobachten wir mehrere hereinschwebende Großflugzeuge, die schräg zur Küstenlinie zum Landeanflug auf den benachbarten Inselflughafen ansetzen und die Geschwindigkeit soweit gedrosselt haben, dass man sie kaum hört. Bei dieser Landefrequenz kann man sich leicht vorstellen, wie viele Touristen die Insel in der Hauptsaison täglich besuchen.



In einem Strandcafé lässt es sich später prima weiter akklimatisieren. Leichte Soulmusik im Hintergrund, während wir in den Polstern sitzen und uns die Vorbeipromenierenden anschauen. So kann man die Seele baumeln lassen und sich entspannen!


Zum Sonnenuntergang nach Oia

Am Abend möchten wir nach Oia, klar zum Sonnenuntergang-Gucken. Die Spätnachmittagssonne brennt noch heiß auf uns herab, als wir in einem längeren Autokonvoi zur Inselspitze fahren, von der aus man einen der schönsten Sonnenuntergänge der Ägäis erleben können soll. Bis kurz vor Oia sehen wir nur die sanfter abfallende Ostseite der Insel, doch dann, kurz vor dem Ort ein erster atemberaubender Blick in den Krater, wo die Sonne Lichtreflexionen auf die Wasseroberfläche gezaubert hat.
Die Parkplatzsuche gestaltet sich recht problematisch, jeder noch so kleine Winkel ist schon besetzt. Nach geraumer Zeit finden wir, fast am Ende des Ortes, doch noch ein Fleckchen.
Auf der Suche nach einem guten Aussichtspunkt steigen wir die paar Meter geradewegs hinauf in Richtung Kraterrand, durchqueren ein Tor, nehmen direkt gegenüber ein paar Stufen hinauf in ein Gebäude, eine Taverne, dann noch ein Stiege, bis zur Dachterrasse. Der Blick auf die Caldera ist von hier oben atemberaubend! Spontan nehmen wir am letzten unbesetzten Tisch des Restaurants Strogili Platz.
Die Stimmung unter den Restaurantgästen ist gelassen. Die meisten haben sich schon für den nahen Abend herausgeputzt. Wir bestellen ein paar leichte Kleinigkeiten und werden formvollendet bedient. Besteck klappert von den anderen Tischen, Weinflaschen werden entkorkt.
Als wir uns etwas umsehen, sticht uns eine Hausfassade ins Auge, die sehr aufwendig gestaltet ist. Von der Terrasse aus hat man sicherlich einen besonders schönen Blick auf das sich bereits verfärbende Meer.


Andere Sonnenuntergangsjünger haben sich in der Nachbarschaft auf einem Felsen niedergelassen und verfolgen von hier aus das Naturschauspiel, das jetzt seinen Verlauf nimmt.


Den Ausblick vergisst man wohl so schnell nicht wieder. Während sich der Himmel auf der Westseite langsam orange-rot verfärbt, spiegeln sich seine Farben im Meer, das beim Rückblick auf Firá, unterhalb der Kraterwand, zunächst zart fliederfarben erscheint.
Ein größeres Segelschiff mit voller Beflaggung steuert unter uns in den Krater hinein. Ein weiteres folgt ihm.



Recht zügig wurden bereits unsere Teller serviert: grüner Blattsalat mit Walnüssen und Sauce Vinegraitte, eine erlesene Fáva aus Santorini-Erbsen, Hackbällchen in Pilzsauce und Hähnchen in Balsamico-Sauce. Dazu ein Glas gut temperierten, offenen Weißweines und (für Alex als Autolenker) Wasser. Himmlisch, wie wir da über den Dingen schweben, Genuss pur (und bezahlbar).

Mittlerweile hat die Sonne eine Purpurfarbe angenommen und versinkt langsam im Dunst. Der kulinarische Genuss, gepaart mit dem Augenschmaus vor uns lässt uns weiter schweben. Das sich jetzt ausbreitende Abendrot sucht seinesgleichen.




Später schlendern wir zusammen mit vielen anderen Besuchern durch die schönen Gassen von Oia mit den geschmackvoll eingerichteten Läden. Wir linsen in die schönen Eingänge, entdecken so manch Überraschendes.








Einige ältere Oia-Einwohner sitzen vor ihren Häusern und schauen sich die vorbeipromenierenden Touristen an. Scheint irgendwie besser als Fernsehen zu sein. Kein Wunder, bei dem griechischen TV-Programm!
Viele Fotos werden geschossen, unbedingt will man die nächtliche Schönheit bannen, die Lichter und das Gefühl an diesem besonderen Ort zu sein.


Bis zur Platía schlendern wir, wo man nach den engen, mit Menschen gefüllten Gassen wieder mehr Raum hat.


Auf dem Rückweg verlaufen wir uns im Gassengewirr. Schließlich gelangen wir doch wieder zu dem Tor, durch das wir am Nachmittag vom Parkplatz aus nach oben, zum Kraterrand gegangen sind, und finden auch gleich unseren Wagen wieder, der jetzt ganz allein mitten auf einer Freifläche steht.

In dunkler Nacht fahren wir über die enge, kurvenreiche Strecke zurück nach Kamári. Als wir ein kurzes Stück durch den Inselhauptort Firá kommen, sehen wir von weitem den Rummel. Die Menschen stehen in Trauben auf der Straße, trinken Cocktails zu ohrenbetäubend lauter Musik. Unseren Geschmack trifft eher das Dörfchen Kamári, ruhig, aber doch lebendig. Und Bars gibt es hier auch, aber kein Kirmesfeeling.
Auf einen Absacker kehren wir um Mitternacht in einem Strandlokal ein, räkeln uns in den Sesseln, hören 40er-Jahre-Swing, werden von der jungen Tochter des Hauses mit sehr viel Humor bedient und gehen später mit unseren Getränken zum Strand, direkt zur Uferlinie, wo wir uns in die Liegestühle fläzen, einigen noch ankommenden Flugzeugen bei ihrem Landeanflug zuschauen und das Glitzern des Mondlichts auf dem Meer genießen. Welch’ wunderschöne Sommernacht! Hier bleiben wir noch lange, schalten ab. Kein Gedanke an daheim und an die Arbeit, nur ein intensives Genießen des Augenblicks.


Santorini - Kamári und Firá



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