Rückkehr nach Piräus





Abschied von Ikaría

Wir haben uns entschlossen, schon am frühen Abend nach Evdhilos zu fahren, obwohl unsere Fähre, die Sardinia Vera der Kallisti (das größere Schiff) erst kurz vor 22.00 Uhr ablegen soll.

Der Taxifahrer steht kurz vor 18.00 Uhr auf der Matte. Unsere Vermieter verabschieden uns zünftig. Ich erhalte noch Ableger der Nichtoloúloudho. Bei den Verabschiedungswünschen kaló taxídi, kaló chimóna, meint Kyría Túla: „Vielleicht werdet ihr beim nächsten Besuch nur noch einen von uns antreffen.“ Und Kapetán Dimítris setzt noch einen drauf: „Vielleicht ist einer von uns dann auf dem Mars.“ Ewig sollen sie leben!

Der Taxifahrer redet nicht nur ununterbrochen, sondern auch noch sehr schnell, fährt jedoch ganz gemütlich und bietet an, überall anzuhalten, wo auch immer wir es wünschen, zum Beispiel zum Fotografieren.


Befreit von unseren Trolleys, die wir im Praktorío abgestellt haben, freuen wir uns auf einen kleinen abschließenden Spaziergang im Hafen von Evdhilos, wo zwei Männer dabei sind, ihr Angelglück zu versuchen.
Die Baustelle für die neue Straße ist belebt, nächstes Jahr wird sicherlich alles fertig sein. Ein Teil der Stadt ist am friedlichen Vorabend in goldenes Licht getaucht. Langsam füllen sich die Hafencafés, wo auch wir noch ein wenig sitzen und innerlich langsam dieser wunderschönen Insel mit ihren freundlichen Einwohnern und der Herzlichkeit, die uns überall begegnet ist, Lebewohl sagen.


Gegen 21.00 Uhr legt die Fähre der Hellenic in Minutenschnelle an, entlässt PKWs, LKWs und Passagiere direkt in die bereitstehenden Taxen an der Mole. Mit den Schiffsschrauben am Bug und am Heck gelingt eine Drehung auf der Stelle, und wenige Augenblicke nach dem Hochfahren der Landeklappen ist die Fähre hinter der nächsten Landzunge verschwunden.


Unser Schiff hat Verspätung. Wir vertreiben uns die Zeit in der Nähe der Anlegestelle. Bei einem Spaziergang bis zum äußersten Ende der Mole auf der Ufermauer habe ich Bekanntschaft mit einigen Stolperfallen gemacht. Geht das jetzt wieder los! Nur knapp entkomme ich einem Sturz über eine Betonfalte, während ich mal wieder in die Luft geguckt habe. An einer anderen Stelle rauschen die Meereswellen in der Dunkelheit mit einer solchen Wucht heran, dass das Wasser für jeden, der sich dort gerade aufhält, erfrischend über die Begrenzung spritzt. Dabei ahnen wir, dass die Beauforts sich keinesfalls, wie erhofft, beruhigt haben, sondern ganz im Gegenteil noch an Kraft zugenommen haben. Bin wirklich gespannt, wie es uns gleich auf der Fähre ergehen wird. Allerdings haben uns Bekannte in Armenistís beruhigt, als sie erfuhren, dass wir eine Passage auf der größeren und langsameren Fähre gebucht haben.

Endlich, mit eineinhalbstündiger Verspätung, ist die unter italienischer Flagge fahrende Sardinia Vera in Sicht.
Das Anlegemanöver nimmt einige Zeit in Anspruch, ganz anders als bei den schnellen Expressfähren. Die LKW-Fahrer, die auch im Hafen gewartet haben, sind mittlerweile sehr ungeduldig. Ich kann mir vorstellen, dass man bei der geplanten frühmorgendlichen Ankunft in Piräus dem schlimmsten Berufsverkehr zu entkommen hoffte, doch dies ist jetzt wohl hinfällig.

Die Möglichkeit außer Acht lassend, unser Gepäck lose irgendwo auf dem Autodeck zurücklassen zu können, hieven wir die schweren Koffer über schmale Treppen drei Stockwerke bis hinauf auf das Pullmanndeck. Erst hier gibt es eine entsprechende Gepäckablage. Völlig geschafft suchen wir uns einen Platz im nur mäßig besetzten Pullmannraum, der mit Teppichboden ausgelegt und mit sehr breiten Sitzen ausgestattet ist.

Noch haben wir nicht abgelegt. Bis zum obersten Deck hinauf inspizieren wir das Schiff; als erstes fallen uns die vielen Rettungsboote und der blank geschrubbte Boden auf.
Am Heck stehend erleben wir dann den Augenblick, als die Fähre ganz gemächlich die Klappen hochfährt, eine Drehung vollführt und dann Kurs auf Piräus nimmt, denn ein Zwischenstopp ist nicht vorgesehen.

Unser Aufenthalt auf Ikaría ist zu Ende, wie schade. Noch lange sitzen wir an einer windgeschützten Stelle an Deck und lassen die Lichter der langgestreckten Insel an uns vorbeiziehen, erahnen in der Dunkelheit die Orte, die wir besucht haben und lassen unseren Aufenthalt noch einmal bruchstückhaft vorüberziehen. „Erinnerst du dich…?“ „Wie hieß noch mal der Ort…?“ „Hier kommen wir wieder her!“

Die Fähre schaukelt tatsächlich, doch durch ihre Größe empfinden wir dies nicht als ungenehm. Erst später, mitten in der Nacht, wird der Wellengang heftiger, doch haben wir uns bereits, wie fast alle anderen, auf dem Boden, zwischen den dunklen Sitzreihen, ausgestreckt und versuchen, ein wenig Schlaf zu erhaschen. Irgendwie üben die Schiffsbewegungen eine beruhigende Wirkung auf mich aus. Erst ein tiefes Wellental, dann ein weiteres dieser Art, gefolgt von einem kurzen Ruckeln, dann geht es wieder eine Weile geradeaus.

Nach einigen Stunden Schlaf erreichen wir in den frühen Morgenstunden recht entspannt Piräus. Noch haben wir nicht angelegt, noch werden im Hafenbecken verschiedene länger dauernde Manöver durchgeführt, als wir bereits mit unserem Gepäck an der Ausstiegsrampe stehen.
Zwei Matrosen sitzen noch ein paar Minuten auf ihren Stühlen am Eingang, müde, aus dem Schlaf gerissen. Ein halbleerer Frappé-Becher steht in einer Nische. Es riecht nach Maschinenöl. Irgendwann fängt es an zu rappeln und zu dröhnen, das Schiff vollzieht langsam sein Wendemanöver.
Mit halb geöffneter Klappe werden die wenigen Meter bis zum Kai zurückgelegt. Die beiden Seeleute wickeln die dünneren Seile, an denen die Anlegetaus befestigt sind, fachgerecht auf, um sie gleich an Land zu werfen.


Wieder in Piräus

Gleich nach der Landung gehen wir von Bord und stellen fest, dass wir sehr zentral angelegt haben. Direkt gegenüber befindet sich noch im Hafenbereich ein schattiges Café, wo drei Schlückchen Filterkaffee 3,60 € kosten. Herzlich willkommen zurück!

Unser Hotel, das Fáros in der Notará 140, liegt vom Ausgang E 10 aus gesehen nur zwei Querstraßen weiter hoch, und dann nach rechts. Welch angenehme Überraschung. Ein glänzendes Portal mit einer freundlichen Dame empfängt uns.
Normalerweise kann man erst ab 12.00 Uhr mittags einchecken, doch wir dürfen unser Zimmer schon früher beziehen, no problem. Die paar Minuten Wartezeit, um die man uns dennoch bittet, bis das Zimmer hergerichtet ist, verbringen wir im Salon, wo eine asiatische Schiffsbesatzung auf Heuer wartet. Der Agent ist sehr rührig, telefoniert ein ums andere Mal, es scheint sich etwas zu tun. Die Seemannsbücher liegen jedenfalls schon auf einem der Tische bereit.

Unser Zimmer befindet sich im siebten Stock, sauber, ruhig und mit Minikühlschrank, Klimaanlage und Fernseher ausgestattet. Das Bad mit Duschkabine ist schön gekachelt, alles glänzt und blitzt. Die Betten sehen so einladend aus, dass wir nicht widerstehen können und uns einen kleinen Vormittagsschlaf gönnen.

Nicht weit entfernt vom Hotel nehmen wir später in unserem zypriotischen Lieblingsrestaurant ein kräftigendes Mahl ein: Gemista! Dieses Mal wissen wir Bescheid und bestellen nur eine Portion. Es werden zwei Riesentomaten serviert mit einer sanft gewürzten Füllung. Ola fréska! Als Beilage bekommen wir Bámies in einer göttlichen Soße aus frischen Tomaten. Nach dem Mahl wird uns ein wenig Bewegung gut tun.

Bei wieder brütender Hitze spazieren wir nach Passalimáni, dort wo die Jachten der Schönen und Reichen dümpeln. In osmanischer Zeit lagen in diesem Hafen die Schiffe des Paschas, daher auch der Name.
Wir haben Durst, außerdem schmerzen die Füße ein wenig. Auch ein Eis würde jetzt guttun, doch weit und breit ist kein einziges der vielen Lokale geöffnet. So bedienen wir uns an einem Kiosk und setzen uns auf eine Bank, genießen die Optik des Hafenrunds mit den vielen sehenswerten Booten und den Häusern des Stadtteils auf dem Hügel dahinter. Der Verkehr, die Lautstärke und die Hektik der Großstadt lassen uns nach der Beschaulichkeit von Ikaría zurücksehnen.
Vollkommen ermattet kehren wir zum Hotel zurück, wo wir eine zweite Siesta einlegen. Am Abend möchten wir uns das nahe Passalimáni noch einmal anschauen und dort einen abschließenden Imbiss einnehmen.


Viele Einheimische sind am diesem Samstag Abend hierher gekommen. Die Lokale sind geöffnet, alle Tische sind bereits besetzt, als wir unseren Spaziergang unternehmen. Wie schade, dass es im Gegensatz zu früher, kein echtes griechisches Lokal mehr zu geben scheint, nur noch Fastfood-Läden, einer neben dem anderen. Einer wirbt sogar mit „Ελλήνικο φαγητό» (Griechisches Essen), entpuppt sich jedoch als schicke Imbissbude mit Pommes, Gyros, Souvlaki und Krautsalat in verschiedenen Zusammenstellungen im Angebot. Nein, das brauchen wir nicht. Solche „griechischen“ Lokale gibt’s zuhauf in Deutschland, wo man das verkauft, wovon man meint, dass deutsche Touristen es mit griechischem Essen gleichsetzen und mögen.

Für uns sehen wir zum Abschluss des Abends eigentlich nur noch zwei Möglichkeiten. Entweder fahren wir nach Monastiráki (was aber mit einer ziemlichen Action verbunden wäre) oder wir gehen einfach wieder zurück in das zypriotische Lokal, in dem wir uns so wohl fühlen. Und genau zu letzterem entschließen wir uns auch.

Fast um Mitternacht gibt es nur noch Gegrilltes, zum Beispiel einen Riesenlappen von Kotelett, der kaum Platz auf dem Teller findet. Tsatsíki und heiße Pitta runden das ganze ab. Auch einen Tomatensalat gönnen wir uns in dem Bewusstsein, dass dieser für die nächsten Monate der letzte sein wird, der auch wirklich nach Tomaten schmeckt.
Griechische Musik aus dem Radio begleitet die anwesenden Gäste mit den atmosphärisch so schönen Liedern aus der alten Zeit. Zwei englische Touristen trinken Bier an einem Tisch beim Eingang, ein Grieche unterhält sich mit dem Besitzer. Langsam klingt auch der arbeitsreiche Tag in dieser Taverne aus.

Gegen 1.00 Uhr in der Früh machen wir uns auf den Nachhauseweg, vorbei an den Hafenbars, wo Frauen ihre Gesellschaft anbieten und Seeleute aller möglichen Nationalitäten Abwechslung finden, alles wie eh und je.

Am nächsten Morgen verschlafen wir uns um eine gute Stunde. Das flugzeuggerechte Packen hatten wir auf den heutigen Morgen verschoben, doch jetzt wird es zeitlich wirklich eng. Egal, wir stopfen alles, wie es kommt, in die Koffer und Taschen, ohne großartig nachzudenken. Keine Zeit mehr. Einen Kaffee sparen wir uns für den Flughafen auf, checken aus dem Hotel aus, rollen zur Bushaltestelle und fahren dann wieder recht entspannt zum Flughafen. Unterwegs nehmen wir noch ein paar Eindrücke von den Outskirts von Athen mit, sind innerlich jedoch bereits mit der Heimreise beschäftigt, die dann auch wie geplant verläuft.
Einen kleinen Wehrmutstropfen vergießen wir noch an der Sicherheitskontrolle des Flughafens. Das schöne Fischermesser von Alex mit dem hübschen Griff wird leider konfisziert, da ich am Morgen beim Packen nicht darauf geachtet habe und es ins Handgepäck gesteckt habe, während Zahnpasta und andere Flüssigkeiten vorschriftsmäßig im Aufgabegepäck gelandet sind. Ausgerechnet ein Messer wollten wir mit ins Flugzeug nehmen!!!

Der Flug verläuft sehr angenehm. Hin und wieder wird es zwar etwas rumpelig, doch wir, wir sind voll von den schönen Eindrücken der vergangenen drei Wochen, an die wir uns mit ganz herzlichen und warmen Gefühlen immer wieder gerne zurückerinnern.