Geschichtliches



Die Insel Ikaría weist neben ihrem mythologischen Hintergrund leider auch sehr traurige Aspekte der jüngeren geschichtlichen Vergangenheit auf.

In einem Gespräch haben wir erfahren, dass die Insel im zweiten Weltkrieg vorwiegend von italienischen Truppen besetzt war. Die Zeiten waren schwierig, die Bewohner bitterarm, etliche sind während dieser Jahre an Hunger gestorben.

Zwischen den italienischen und deutschen Besatzern, die Samos innehatten und erst später nach Ikaría kamen, konnte man Unterschiede erkennen. Erstere seien umgänglicher gewesen, menschlicher und lockerer. Die Deutschen hingegen hätten immer hart durchgegriffen, Verhaftungen vorgenommen, Menschen erschossen.

Also selbst hier, am Ende der griechischen Inselwelt, werde ich mit den Gräueltaten meiner Vorfahren konfrontiert, doch der Erzähler selbst ist nicht erzürnt, nicht nachtragend. Ich erlebe seinen Bericht eher nüchtern und sachlich. Das ist vielleicht seine Art, nach all den Jahren damit umzugehen.
An der Stelle, als er von seinen erschossenen Freunden erzählt und wie er davon gekommen ist, bricht er jedoch ab. Ich bin tief erschüttert, einmal mehr, bei der Konfrontation mit der mörderischen Vergangenheit meiner Vorfahren.

Ein wenig später berichtet mein Gegenüber auch von seinem Besuch in Kalávrita, einem Ort auf der Halbinsel Peloponnes, wo deutsche Truppen durch ein grausiges Massaker an der Zivilbevölkerung große Schuld auf sich geladen haben. Wir teilen dieses Erlebnis, denn auch ich bin Ende der neunziger Jahre dort gewesen und habe Eindrücke erfahren, die ich niemals vergessen werde.

Seit diesem Tag, seit dieser inneren Berührung, begegnen wir, der neunzigjährige Erzähler und ich, uns mit einem sehr warmen und nahen Gefühl.


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Nach der Besatzungszeit war Ikaría in den vierziger Jahren, während des griechischen Bürgerkriegs, Verbannungsort. Bis zu 15000 Widerstandskämpfer, vornehmlich Kommunisten, sollen in den Jahren auf die Insel gebracht worden sein.

Einer der prominentesten Exilanten ist Mikis Theodorákis, der 1947 erstmalig hierher deportiert wurde. Aufgrund einer Amnestie kehrte er nach Athen zurück, doch 1948 wurde er erneut verhaftet und nach Ikaría gebracht.

Ikaría galt praktisch die Vorstufe von Makrónissos. Wer nicht eine „Reuerklärung“ unterschrieb, wurde dorthin in ein „Umerziehungslager“ gebracht. Mikis Theodorákis unterschrieb nicht.
Nach den unendlichen Folterungen auf Makrónissos konnte sein Vater ihn schwer verletzt und krank buchstäblich in letzter Minute dem Tod entreißen und nach Kreta bringen. Nach dem Ende der Militärdiktatur: Ena to Chelidhóni, Theodorakis, Bithikotsis


Sonnenaufgang in Armenistís