Badetag am Strand von Livádhi



Ich muss gestehen, dass sie mich zu Beginn etwas abgeschreckt hat, die Information, dass Armenistís aufgrund der schönen Strände in der Nachbarschaft das touristische Mekka Ikarías sein soll. Ich stellte mir tausende von sonnenhungrigen Pauschaltouristen vor, die dem Ort ihren Stempel in Form von unzähligen Hotels und entsprechenden Geschäften mit Tourismusartikeln aufgedrückt haben. Doch kein Grund zur Besorgnis.

Nun ja, ein bißchen trifft es zwar schon zu, nur die Zahl stimmt nicht. Wie wir erfuhren geht es außerhalb der Saison sehr ruhig und beschaulich zu, während im Juli die Zahl der Touristen ständig zunimmt. Auch wir konnten beobachten, wie insbesondere zu den Wochenenden immer mehr (Bade-)Gäste, vor allem Griechen, auf die Insel kamen. Nur wenige reisten zum Wochenbeginn wieder ab. Allerdings hielt sich der „Ansturm“ noch sehr in Grenzen.

Viele kommen vom Festland, aus Athen, eine nicht unbeachtliche Zahl aber auch aus Übersee, Exil-Ikarióten, die ihr Glück in der Fremde gesucht haben. Im August ist es dann brechend voll, die Tavernen im Ort sehr gut besucht und in Ermangelung von genügend anderen Lokalen, in denen man den Abend ausklingen lassen könnte, meist auch bis tief in die Nacht besetzt. Ich stelle mir vor, wie man mit hungrigem Magen von einem Restaurant zum nächsten zieht und einfach keinen Platz mehr bekommt. Ich glaube, dieses Szenario ist gar nicht so abwegig, und bin froh, dass jetzt noch Juli ist.
Doch ich wette, in anderen, ebenfalls warmen Monaten außerhalb der griechischen Ferienzeit, wenn die Hitze nicht so lähmend wirkt, kann man hier in aller Ruhe und doch nicht vollkommen abgeschieden, wundervolle Wochen verbringen.

Hauptanziehungspunkt von Armenistís sind zweifelsohne die wunderschönen Strände. Wie wir erfahren sind manche Inselfahrer, die in der absoluten Hochzeit um den 15. August herum keine Zimmer vorbestellt haben, zum Übernachten auch schon an diese Strände ausgewichen. Zum Glück erleben wir diese Massen nicht, haben eine schöne Unterkunft und können die Bademöglichkeiten um Armenistís herum am Tage genießen.
Während wir den Strand von Mesachtí ja schon bei der Superpuma-Vorstellung erlebt haben, beschließen wir, heute unserem Bedürfnis nach Badeerfrischung an dem näher zu Armenistís gelegenen Livádhi-Strand nachzukommen.

Auf dem Weg dorthin passieren wir die kleine Sand-Kies-Bucht, an der wir schon einmal gebadet haben. Dahinter befindet sich eine weitere, die einem Südseestrand gleicht. Heller Sand und auch im Wasser kein einziger Stein. Eingerahmt von Felsen trifft auch hier der Wind nicht direkt auf den Strand. Die Bucht ist dicht belegt. Ein kleiner Junge mit Schwimmflügeln lässt selbstvergessen sein Spielzeugboot schwimmen.

Am Livádhi-Strand angekommen breiten wir unser großes Strandlaken auf dem Sand, direkt neben den bambusgedeckten Sonnenschirmen und Liegen, aus. Allerdings lässt die Stabilität unseres eigenen Schirmes, den wir in den Sand gerammt haben, zu wünschen übrig. Bedrohlich schwankt er im immer kräftiger wehenden Meltémi, so dass wir uns kurzerhand auf zwei der vielen freien Liegen niederlassen. Der Wind treibt die Wellen frontal auf die Uferlinie zu. Da wir uns mit den Strömungen hier nicht auskennen, bleiben wir in der Nähe des Strandes. Doch wie toll es ist, hier herumzuplantschen. Der erste kühle Eindruck weicht einem himmlischen Badegefühl, als wir uns kopfüber und mit ein paar kräftigen Bewegungen ins klare Wasser stürzen. Fantastisch!

Nach einer Weile, als wir schon wieder im Bambusschatten liegen, kommt der Kassierer und nimmt von uns beiden zusammen sieben Euro ein. Das ist ein stolzer Preis, denken wir, und rechnen ihn auf die Dauer unseres Urlaubs hoch, wenn wir jeden Tag hierher kämen. Ach egal, hier sind wir jetzt, genießen die Erholung und lassen die nächsten Stunden ganz entspannt an uns vorüberziehen. Im Schatten wird es durch den Wind zwischenzeitlich so kühl, dass wir uns in die Strandtücher wickeln.


Lesend, dösend und ab und an ins Wasser tauchend vergeht die Zeit. Ein Eis wäre nicht schlecht. Dem Wunsch kann entsprochen werden, denn in einer Kantina gibt es Erfrischungen. Direkt dahinter sehen wir einen schilfgesäumten Fluss, der als bräunliche Brühe im Sand versickert. In der nassen Jahreszeit wird er jedoch bestimmt soviel Wasser führen, dass er sich über den Strand ins Meer ergießt. Ob dies der Fluss ist, in den ein Ikarus-Darsteller vor einigen Tagen anlässlich einer Theateraufführung gestürzt ist? Die Kinder sollen kreischend vor Vergnügen hinterher gesprungen sein.


Fische und Schildkröten tummeln sich zahlreich. Letztere kommen näher, recken neugierig ihre Hälse über die Wasseroberfläche. Ob der Besucher etwas zum Fressen dabei hat? Wie wir feststellen, mögen sie vegetarische Kost in Form von Feigenstückchen, wagen sich dafür sogar eine kleine Strecke aus dem Wasser heraus, um den verlockenden Bissen zu schnappen und schleunigst wieder abzutauchen.



Mit der Fortsetzung unserer Siesta im Bambusschatten lassen wir einen süßen Nachmittag verstreichen. Eine kleine Gruppe weiterer Badegäste ist angekommen, die sich gleich neben uns niedergelassen hat. Die jungen Leute haben ein ausgesprochenes Kommunikationsbedürfnis, das sich nach einer halben Stunde aber etwas legt. Andere haben es sich direkt am Wasser auf dem eigenen Handtuch bequem gemacht.

Eine Fähre kreuzt das Meer in nicht allzu weiter Entfernung. Unsere Blicke begleiten sie. Wie schnell die Schiffe heutzutage doch unterwegs sind. Time ist money!
Mit einem Mal rollt eine Welle auf den Strand zu, die viel höher als alle vorangegangenen ist und offensichtlich von ebendiesem Schiff verursacht wurde. Wie aus dem Nichts überschwemmt sie mehrere Meter des Strandes, erwischt die Badegäste, die in der Nähe der Wasserkante liegen, durchnässt Kleidung und Bücher, alles, was dort hingelegt wurde. Da kommt Bewegung in die Menschen!
In der kleinen Bucht in Armenistís, wo die Fischer ihre Boote, die nicht im Einsatz sind, zwischenlagern, branden die Bugwellen der Korsika Express von Kallisti ebenfalls sehr plötzlich und viel höher als die anderen an. Das haben wir schon live miterlebt. Mit solchen Wellen rechnet man dort deshalb nicht, weil die Fähren zu dem Zeitpunkt dann schon längst aus dem Blickfeld verschwunden sind.

Am späten Nachmittag packen wir unsere Sachen zusammen, um zu unserer Pension zurückzukehren. Doch halt, wir wollten ja noch nach Oregano Ausschau halten. Hinter dem Dorfausgang von Armenistís in Richtung Evdhilos, am Ufer eines weiteren Flussbettes, soll es nach einigen Hundert Metern reichlich Oregano geben. Auch steht der Bambus meterhoch. Nur ein ganz schmaler Pfad schlängelt sich durch das Dickicht, man sieht überhaupt nichts. Überall raschelt es, dornige Sträucher kratzen die Beine auf.
Plötzlich steht ein vollkommen dreckiges Schaf vor uns und blökt uns vorwurfsvoll an. Jesses, Schock lass nach! Und gleich geht die Kreta-Schafherde-ohne-Schäfer-Mühle in meinem Kopf los: Wo Schafe ohne Schäfer weiden, ist der frei herumlaufende Hütehund nicht fern! Nur noch eine kurze Zeit stapfen wir ergebnislos weiter, das hier macht mir keinen Spaß. Ob der Hund uns schon gewittert hat, sich schon zähnefletschend an uns heranpirscht? Erleichtert befinden wir uns bald wieder auf der Straße, ohne einem Hund begegnet zu sein, aber auch ohne Oregano. Das macht jedoch nichts, denn Gelegenheiten zum Kräutersammeln sollen wir noch in Hülle und Fülle erhalten.

Geschichtliches