Im Herzen von Athen



Der nächste Tag erwartet uns mit hohen Temperaturen. Es ist Sonntagmorgen, und die Umgebung um unser Hotel erscheint uns bei Tageslicht viel freundlicher als am Abend zuvor. Die Kirche des Agios Panteleímon steht gleich am Viktoriaplatz. Aufgrund ihrer Größe ist sie uns schon am Vorabend aufgefallen. Sie ist zwar keine Hauptkirche, doch besitzt sie eine faszinierende Besonderheit: Ihre Wände sind im Innern zur Gänze mit Fresken ausgemalt, auch die Decke.
Standventilatoren sorgen für ein wenig Abkühlung, sodass wir uns hier länger aufhalten und die üppige Ausstattung auf uns wirken lassen.

Unser Frühstück nehmen wir später ebenfalls am Viktoriaplatz, im traditionellen „Café der Dichter“, ein. Auf einer alten Straßenkarte des Stadtzentrums von 1983, die ich aus meiner Schatzkiste ausgegraben hatte, und auf der die wichtigsten Sehenswürdigkeiten verzeichnet sind, machen wir uns mit dem Weg vertraut, den wir anschließend einschlagen wollen.

Der Spaziergang zum Omóniaplatz ist zwar nicht weit, in der Mittagshitze jedoch unerhört schweißtreibend. Auch der laute Verkehr lässt uns hier nicht verweilen, wir nehmen jedoch die vielen unterschiedlichen Menschen wahr, die hier schwatzend, gestikulierend und telefonierend unterwegs sind. Ein Hostel in einer der Nebenstraßen, in dem ich in den 80ern einmal Wehnachten verbracht habe, scheint nicht mehr zu existieren. Langsam trödeln wir weiter zum Sýntagmaplatz. Es sind so um die vierzig Grad im Schatten, und in selbigen flüchten wir uns auch. Ein Lokal auf dem Platz verspricht Abkühlung. Doch die Luft "steht" hier, kein Windhauch. Einige Ventilatoren, die auch feinste Wassertröpfchen verteilen, sollen für ein angenehmeres Klima sorgen; doch wir schwitzen einfach nur und halten uns Eiswürfel an die überhitzte Birne. Viel später steigen wir die Treppen hoch zum Präsidentenpalast.


Mit ernster Miene staken die beiden Wachen langsam über einen kleinen Platz am Denkmal des unbekannten Soldaten. In einem schweißtreibenden Akt lassen sie synchron die Beine in erhobener Stellung kreisen oder vollführen sonstige muskelbelastende Bewegungen, bevor sie in weitem Ausfallschritt mit den Schuhen auf den Boden knallen. Alles ist perfekt getimt.






Ein längeres Ritual, bis sie wieder unter dem winzigen Schattendach ihrer Wachhäuschen stehen. Gleich kommt ein Soldat der Präsidentengarde in Uniform und beginnt sein Werk: Die von den Bewegungen in Unordnung geratenen Falten der Röcke der Evzónen werden geglättet und an Ort und Stelle gelegt. Auch der Zopf muss richtig sitzen. Und ganz wichtig: Die Schweißperlen werden abgewischt.


Dann stehen beide wieder akkurat und mit stoischer Miene da und werden wie verrückt geknipst. Wenn ihnen Touristen zu nahe kommen, knallen sie den Gewehrkolben mit Donnerschlag zwei Mal auf die Erde, sodass der allzu Wagemutige voller Schreck davonstiebt.


Jede volle Stunde ist Wachablösung.







Nach solchen Anstrengungen finden wir im benachbarten Nationalgarten ein wenig schattige Abkühlung in dieser bulligen Nachmittagshitze.


Bei einem Spaziergang gelangen wir nach wenigen Minuten zum Záppeion Mégaron (Sáppion Mégaron), einem Kongresszentrum und Ausstellungsgebäude.


Zur Geschichte des klassizistischen Gebäudes: (engl.) Culture2000 und Zappeion.gr

In Blickweite, jenseits der Grenzen des Parks, erkennen wir mit einem Mal Säulen, die von Gebäuden aus früherer Zeit stammen.


Magisch zieht es uns dorthin. Für 12 EUR erstehen wir ein Ticket, das 4 Tage lang Gültigkeit besitzt. Damit können je ein Mal besichtigt werden: Die Akropolis, das Theater des Dionysos, die römische Agora, das Keramikos-Gelände, die Bücherei des Hadrian und der Tempel des Olympischen Zeus. Und genau dort sind wir gerade gelandet. 15 imposante, riesige Säulen, mit wunderschönen korinthischen Kapitellen, lassen erahnen, welch wuchtige Dimension der Tempel besaß. Fast 650 Jahre hatte es gedauert, bis er um 132 n. Chr. unter Hadrian fertiggestellt wurde. (Quelle: Knaurs Kulturführer, S. 119f.)



An einer Seite des Geländes steht der Hadriansbogen, vermutlich anstelle eines alten Stadttors errichtet.


Dahinter ein recht neu wirkendes Denkmal der großen Sängerin, Schauspielerin und ehemaligen Kulturministerin, der grande dame Melina Mercouri: Ta pediá tou Piréa

Wir schlendern daran vorbei und hinein in die Plaka. Steile Gässchen, aber insbesondere das Viertel der Anafioten, Anafiótika , mit winzigen Pfaden zwischen den Häuschen und zahlreichen Fotos der Insel Anáfi auf Plakaten, lassen unsere Fantasie spielen.


Unser Ziel ist die Akrópolis. Zwar ist es schon zu spät, um das Wahrzeichen Athens zu besichtigen, das sparen wir uns für den nächsten Tag auf. Doch bis zum Eingang können wir hinaufgehen und ein wenig "antike Luft" schnuppern. Schon auf dem Weg dorthin genießen wir faszinierende Ausblicke.


Schließlich gelangen wir zum Hügel des Areopag, dem Ort des antiken Gerichtshofs, gegenüber vom Akropolis-Eingang. Über die alte Steinstiege, die von Millionen von Füßen und Schuhen ganz gefährlich blank poliert ist, oder über eine sicherere Metallstiege gelangt man zur höchsten Stelle des Hügels.


Der Blick, der sich von hier aus öffnet, weitet die Sinne. Mit der Akropolis im Rücken hoch über uns schauen wir auf Athen zu unseren Füßen!




Hier wurde Geschichte geschrieben, genau an dieser Stelle! Hier überzeugte Perikles die Athener von seinen Vorhaben, wie dem Bau des Párthenon und der Propyläen, und von seinen Vorstellungen von Demokratie. Hier trafen sich, vermutlich unter freiem Himmel, die höchsten Staatsbeamten, Adelige, die Archónten, ausgestattet zunächst mit höchster Macht, die allerdings im Laufe der Demokratisierung beschnitten wurde.

Heute spiegelt sich die langsam untergehende Sonne in den Abertausenden von Solarenergiebehältern wider. Die Sicht ist ganz klar. Eine große amerikanische Reisegruppe von Jugendlichen hat sich neben zahlreichen anderen Touristen aus aller Welt niedergelassen, um diesem Lichtspiel zu folgen und sich vorzustellen, was damals hier geschah.

Solch intensive Erlebnisse machen hungrig. Wohl wissend, dass die Preise in der Plaka nicht nur gesalzen, sondern auch gepfeffert sind, beschließen wir trotzdem, uns das Vergnügen eines üppigen Mahls an diesem Abend zu gönnen. Wir nehmen Platz in „Alékas Restaurant“, wo wir ganz lauschig sitzen und – während wir auf das ausgezeichnete Essen warten – beobachten können, wie das Licht der jetzt untergehenden Sonne die gegenüberliegende, terrakottafarben gestrichene Hauswand zum Glühen bringt. Insgesamt haben wir den Eindruck, dass die Restaurants alle sehr auf den vermeintlich touristischen Unterhaltungsgeschmack abfahren. Nebenan schlagen die Wellen hoch, als eine Truppe in Tracht einläuft und Tänze vorführt. Weiter unterhalb dröhnt griechische Unterhaltungsmusik aus dem Lokal. Gut, dass wir dort nicht gelandet sind. Nach einem ausgedehnten Mahl und einige Stunden später schlendern wir hügelabwärts in Richtung Metrostation Monastiráki. Eigentlich wollen wir zum Hotel, müde wie wir sind, doch ein Blick in eine Bar zeigt die Lifeübertragung des Athen-Meetings. Man sagt uns, der Speerwurf der Frauen stünde noch aus. Wie wir 2 Bier und 8 EUR später erkennen, war die Information leider eine Ente.

Besuch der Akropolis