Flug und erster Abend in Athen



In der vorletzten Reihe nehmen wir im Flugzeug Platz und richten uns auf unseren Sitzen für unseren Flug nach Athen ein. Eine junge Frau besetzt wenig später den dritten Platz in unserer Reihe, grüßt freundlich und vertieft sich schon bald in ein Buch. Wir holen ebenfalls unser Lesematerial hervor, darunter auch eine Sportzeitschrift. Nach wenigen Minuten fragt die junge Frau, ob es sich um die neueste Ausgabe dieser Zeitschrift handelt. „Ja, es ist die Neue.“ „Dann schlagen Sie doch mal Seite 48 auf.“ Auf dieser Seite befinden sich zwei Berichte mit Fotos. Einer handelt von einer Speerwerferin.
Wir schauen mehrmals auf das Bild, dann auf die junge Frau, und wieder zurück. „Sind sie das??“. Sie nickt heftig und sichtlich erfreut: „Ja, obwohl – so was tu ich ja sonst nicht.“ Gemeint ist, dass sie nicht ständig andere Leute auf ihr Bild in einer Zeitung aufmerksam macht, und das kaufen wir ihr auch ab, denn in dem nachfolgenden Gespräch gewährt sie uns ein paar Einblicke in ihre Einstellungen und den Sport, den sie betreibt.

Neben uns sitzt Christina Obergföll, frischgebackene deutsche Meisterin 2008 und amtierende Vizeweltmeisterin im Speerwurf der Frauen. WOW! Sie ist auf dem Weg zum Athen-Meeting, das am 13. Juli (also tags darauf) stattfindet.
Mit 26 Jahren ist sie bereits eine Persönlichkeit, strahlt im Gespräch Ruhe aus und beantwortet ganz geduldig all unsere Fragen, freundlich, bescheiden, selbstbewusst und einfach sympathisch. Wir erhalten sogar noch ein Autogramm, einen fliegenden Speer in Form eines Pfeils malt sie darunter, der mit der Zahl 70,20 versehen ist, ihre persönliche Bestleistung im Wettkampf und Europarekord, aufgestellt während des Leichtathletik-Europacups in München im Juni 2007.

                   

Sie freut sich auf die Olympischen Spiele in Peking, und als wir uns verabschieden und ihr alles Gute für den Wettkampf in Athen wünschen, bedankt sie sich, meint jedoch, für die Olympiade, dafür sollen wir ihr die Daumen drücken. Darauf kann sie sich aber verlassen, die „Unsterbliche“!

Seit diesem Abend im Flugzeug sind wir große Christina-Obergföll-Fans! Weitere Infos gibt es auf ihrer Homepage: Christina Obergföll.

(Nachtrag: Herzlichen Glückwunsch zum Gewinn der Bronzemedaille! :))


In Athen kommen wir erst am späten Abend an und hoffen, bald mit dem X 95-Bus zum Sýntagma-Platz zu fahren, um dort noch eine Metro zum Viktoria-Platz zu erwischen, wo unser Hotel liegt. Gerade schräg vor dem Ausgang des Flughafens erkenne ich die Busnummer und treibe Alex an, sich zu beeilen, als der Bus sich langsam in Bewegung setzt. Alex stürzt durch die hintere Tür in den Bus, sein Gepäck hinter sich in das voll besetzte Gefährt hievend, und ich sehe noch, wie sich die Bustüren schließen, während ich draußen auf dem Weg zum Ticketschalter bin.
Wie viele Worte braucht es, um einen bereits anfahrenden Bus innerhalb von Sekunden mit Nachdruck zu stoppen? Insgesamt 3! „Perimene! Isitírio érchete!“ („Warte, Ticket kommt“). Sicherlich denkt der Busfahrer, dass er dem daherstammelnden ausländischen Touristen zu so später Stunde ruhig einen Gefallen tun könne, und so hält er an und wartet geduldig, bis ich die zwei Tickets erstanden habe. Im Sauseschritt geht es dann ins Zentrum von Athen.

Die Metrostation am Sýntagma-Platz überrascht uns. Sowas von sauber! (Mein Gott, hört sich das spießig an!) Nichts von der Trostlosigkeit verwaister und verwahrloster Bahnhöfe in Deutschland. Nichts zu sehen von zugespuckten Böden. Kein Verpackungsabfall von Fastfoodketten, der einfach irgendwo hingeworfen wird, wo man gerade steht und geht.
Stattdessen ist der Bahnhof hell erleuchtet und strahlend. Jede Menge Wachmänner stehen bereit, geben Auskunft, verweisen uns mit unserem Gepäck noch zu einem Aufzug, „das wäre bequemer für uns“. Wir sind begeistert.


Nach dem Wechsel der U-Bahnlinie am Omónia-Platz gelangen wir dann recht schnell zu unserer Zielstation. Warme Luft weht uns entgegen, als wir aus dem klimatisierten Bahnhof nach oben kommen. Die Atmosphäre hier ist anders. Die Straßen erscheinen in einem ziemlich abgewrackten Zustand, ausschließlich Männergemeinschaften bewegen sich auf den Straßen. Ein ziemlich betrunkener Mann will uns unbedingt ein Gespräch halten, als wir an einem Kiosk Wasser kaufen. Alles in allem erscheint die Szenerie etwas zwielichtig. Haben wir uns im Vorfeld auch so gedacht, doch der Dreck überall an den Straßen, die halsbrecherischen „Bürgersteige“ und die überaus warmen Temperaturen lassen uns mit dem Riesengepäck schnellstens unser Hotel aufsuchen, das wir über das Internet gebucht hatten. Unser winziges Zimmer, das aber immerhin mit guten Betten, Klimaanlage und Fernseher ausgestattet ist, wird uns für die nächsten zwei Nächte eine nette Bleibe sein.

Zur Feier unserer Ankunft beschließen wir, zu später Stunde (es ist bereits nach Mitternacht) noch einen Imbiss einzunehmen. Wir schlendern durch die Straßen, jedoch weit und breit ist kein Restaurant in Sicht. Auf dem Rückweg entdecken wir ein Magerío und verspeisen dort, während der Wirt bereits am Aufräumen ist, zarte Bamiés (Okraschotengemüse), erfrischenden Tsatsíki, eine Riesenportion Pastízio und pikant gefüllte Tomaten. Dazu gibt es in Gläsern, vorgekühlt in einer Tiefkühltruhe, gut gekühltes Heinecken vom Fass.

Rundherum satt und zufrieden möchten wir in den frühen Morgenstunden unser Hotel aufsuchen, finden den Weg jedoch nicht auf Anhieb. Leider weisen die „Bürgersteige“ erhebliche Krater auf und als Tourist tut man gut daran, zu schauen, wo man hintritt. Auf der Suche nach irgendwelchen Straßenschildern, die uns die Richtung unseres Hotels zeigen könnten, tauche ich plötzlich ab. Mit einem Fuß in einem Loch hängend versuche ich noch, in der Vorwärtsbewegung einen Ausfallschritt zu machen, um das schlimmste zu verhindern. Allein, die Mühe war vergebens. Es wirft mich mit aller Wucht in den Athener Straßendreck. Irgendwie finden wir die Szene trotz der Beule am Knie aber doch recht komisch und stellen an der nächsten Straßenecke belustigt fest, dass wir eh einen Riesenumweg gegangen sind, denn unser Hotel liegt einfach nur eine Straße weiter als das Magerío. Und dabei hatte Alex noch gemeint, er kenne sich hier aus! Erschöpft schlafen wir endlich, kurz vor Morgengrauen, ein. Wir sind in Griechenland angekommen.

Im Herzen von Athen