Nach Xanthi und durch einige Dörfer am Fuße des Rodhópengebirges


Ausflug nach Xánthi

Nach Xánthi ist es von Fanári aus nicht weit, nur etwa 30 km. Wir nehmen die Nationalstraße in nordwestlicher Richtung, die zunächst zum Límni Vistonídha führt. Der Vistonída-See mit seiner vorgelagerten Lagune sorgt durch den steten Austausch von Süßwasser (im Nord-) und Salzwasser (im Südteil) für das Vorkommen ganz unterschiedlicher Fischarten. Entsprechend viele Vogelarten finden hier Nahrung, insbesondere Zugvögel, die hier überwintern.
Bei Porto Lágos sehen wir aus dem Autofenster neben einigen kleineren Wasservögeln Pelikane, die in Gruppen das flache Gewässer nach Nahrung absuchen.


Das Feuchtgebiet des Vistonidas-Sees steht unter dem Schutz der Ramsar Konvention aus dem Jahr 1971 (in Kraft getreten 1975), die den Rahmen für nationale Aktionen und internationale Kooperationen bildet und für den Erhalt und die nachhaltige Nutzung („wise use“) der Feuchtgebiete und ihrer Ressourcen eintritt.

An einigen Dörfchen in der westthrakischen Ebene vorbei und nach Querung der Egnatía Odos erreichen wir schon bald die räumlich ausgedehnten Industrie- und Gewerbegebiete von Xánthi.
Über breite Straßen suchen wir uns den Weg in’ s Zentrum, immer das Rodhópen-Gebirge vor Augen, denn die Stadt liegt just am Fuße des südlichen Gebirgsrandes. Der weitaus größte Teil des Massivs jedoch erstreckt sich nach Bulgarien hinein und bedeckt fast den gesamten Südwesten des Landes.

Die Innenstadt von Xánthi wirkt bei der Hineinfahrt gemütlich. Doch zahlreiche Geschäfte und Cafés lassen vermuten, dass das Leben hier zu anderen Uhrzeiten lebhaft pulsiert. Wir dagegen haben es erst zur heißesten Tageszeit hierhergeschafft, wenn der vernünftige Mensch sich bereits zu einer Ruhepause zurückgezogen hat.

Xánthi, mit über 50.000 Einwohnern Hauptstadt der gleichnamigen Präfektur, Universitätsstadt und Partnerstadt von Gifhorn in Niedersachsen, begründet ihren Wohlstand, wie viele andere Orte der näheren und weiteren Umgebung, auf Tabakanbau, -verarbeitung und –handel und ihrer Lage an der traditionellen Handelsroute Théssaloniki – Konstantinoúpoli, der Via Egnatia.
Die Ursprünge der Stadt wurden bereits in vorchristlicher Zeit erwähnt. Ihr Name wechselte von Pará (im Sinne von Kreuzung) über Topará (oder Toperos) und Rousio zu Xánthia. Dieser Name wurde erstmalig 879 n. Chr. erwähnt.
Xánthia wurde 1829 bei zwei großen Erdbeben völlig zerstört, jedoch mit besseren Häusern, neuen Kirchen und Tabaklagern wieder aufgebaut. Bald schon prosperierte die Stadt erneut.

Neben dem schattigen, recht zentral gelegenen Párko Límnio stellen wir unser Auto an der Vassilíssis-Sofías-Straße ab. Einige Roma haben hier Schutz vor der prallen Mittagssonne gesucht und ein kleines Lager aufgeschlagen. Einer der Männer hat es sich schon unter einem Baum gemütlich gemacht und hält Siesta. Neben dem LKW der Gruppe stehen Tisch und Stühle, auch Waren sind zum Verkauf ausgestellt.

Wir folgen der Vassilíssis-Sofías-Straße nun zu Fuß und überqueren eine Brücke über das fast trockene Flussbett des Kósinthos (älterer Name: Kossinítis). Von hier aus erkennt man ganz gut, dass der Fluss die Stadt durch ein tiefes Tal zerteilt. Die einzelnen Stadtteile liegen weitestgehend an den Hängen beidseits des Flussbettes.
Einer davon, am nordwestlichen Zipfel der Stadt, beherbergt die bemerkenswerte Altstadt von Xánthi.



Sie wurde 1976 zur geschützten Siedlung erklärt. In einer Studie wurden 140 Gebäude als besonders wertvoll, 130 als wertvoll und weitere 260 als interessant charakterisiert. In der Veröffentlichung dieser Studie im Jahr 1995 wurde gleichzeitig festgelegt, was genau an den in einer Liste aufgeführten Gebäuden verändert werden durfte. (Veröffentlichung: O.G.F. 1037/11.09.1994, O.G.F. 1097/14.12.1995).
Dies war die Initialzündung zur Restaurierung der Altstadt, die notwendig war, um die Gebäude zu erhalten und nachhaltig als Wohnraum, besonders jedoch als Wirtschaftsgut im touristischen Markt zu etablieren.






Auf dem Weg hinauf in den historischen Stadtteil wechseln sich zweigeschossige Herrenhäuser, einfache mittelalterliche Bauten und wenige Ruinen ab. Die Straßen sind gepflastert und für den Verkehr freigegeben, schließlich wohnen fast 4.000 Menschen hier an diesem steilen Hügel. Es fällt uns schwer, in der mittäglichen Hitze von mindestens 35 Grad (Tendenz steigend) bergan zu steigen. Trotzdem bewundern wir kreuz und quer durch Gässchen und Sträßchen einzelne Gebäude, die teilweise mit informativen Täfelchen versehen sind:
So z. B. das Kotsioúdis-Haus mit neoklassizistischen Elementen, im Jahr 1900 von einem Händler erbaut.


Oder das Ladás-Haus, ebenfalls aus dem Jahr 1900, von Herrn Philippoúpolis aus Bulgarien errichtet.


Ein weiteres traditionelles Haus mit sichtbaren ottomanen Einflüssen gehörte dem Händler Chatzipétros aus Kastoriá. Der Metropolit Ioakím Sghourós wohnte hier bis 1897. Das Gebäude wurde gleichzeitig als Treffpunkt des Ältestensrates genutzt.


Ein allseits bekannter Sohn der Stadt ist der Komponist Mános Hadjidákis (1925-1994), berühmt unter anderem durch die Melodie zum Film Sonntags nie. Sein Geburtshaus steht ebenfalls in der Altstadt von Xánthi.

Auf unserem Weg wieder bergab durch die engen, malerischen Gässchen, erreichen wir einen größeren Platz, die Platía Mitropóleos, die von öffentlichen (Schule und Kindergarten) und kirchlichen Gebäuden umstanden ist.


Die Kirche der großen Erzengel wurde im Jahr 1834 auf den Trümmern der Erdbeben von 1829 auf Veranlassung des Metropoliten Eughénios erbaut.
Daneben die pastellgelb gestrichene Metropolitenkirche Tímios Pródhromos (Johannes der Täufer) aus dem Jahr 1839, eine dreischiffige Basilika, ebenfalls unter dem Bischofsamt von Eughénios wiedererrichtet. Erste Zeugnisse der Kirche datieren aus der Zeit um 1600. Wie so viele Gebäude war sie zwischenzeitlich abgebrannt, aufgebaut und später ebenfalls den besagten Erdbeben zum Opfer gefallen.


Einige andere öffentlichen Gebäude begegnen uns auf dem weiteren Weg nach unten, u. a. die städtische Kunstgalerie Chrístos Pavlídis, eines der ältesten Gebäude der Stadt, in traditionellem makedonischem Stil erbaut und mit wertvollem Holzdekor im Innern.

Wir möchten der Stadt Xánthi zur Restaurierung Ihres historischen Stadtviertels gratulieren. Harmonisch fügen sich die Gebäude und Straßenzüge ineinander – eine wahre Augenpracht. Wie schön muss es sein, in einem dieser Gebäude wohnen zu können!

Aufgrund der überwältigenden Hitze verzichten wir leider notgedrungen auf einen weiteren Aufenthalt in der Stadt. Auch der Besuch eines Cafés nach dem Ende unserer Besichtigung kann uns nicht locken, sondern nur noch unser klimatisiertes Auto. Wir kommen sicher zu einer anderen Jahreszeit einmal wieder hierher. Es soll ja auch einen größeren Wochenmarkt hier geben, mit Verkäufern aus verschiedensten Volksgruppen, bunt und lebendig. Ob er mit dem von Komotiní konkurrieren kann? ;)


Durch einige Dörfer am Fuße des Rodhópengebirges

Nachdem die Auto-Klimaanlage unsere Körpertemperatur wieder auf ein erträgliches Maß heruntergekühlt hat, verlassen wir Xánthi in östlicher Richtung.
Nicht weit hinter dem Ort Sélero erreichen wir auf der Nationalstraße wieder die Präfektur Rodhópi. Zur Linken das imposante Gebirge, rechterhand Tabak- und gelegentliche Weinfelder, die die Landschaft bestimmen.


Wir fahren durch Iasmos und bald danach erreichen wir Políantho. Einer der größten Flüsse der Region, der Kompsátos, wird ganz in der Nähe von der steinernen, fünf-bogigen Iasmos-Brücke überspannt.
Um dorthin zu gelangen, folgt man einem Hinweisschild, biegt also bei Políantho links von der Nationalstraße ab und parkt sein Auto dort auf der Freifläche gleich neben der Straße. Hält man sich zu Fuß nun halbrechts (mit der Straße im Rücken), steigt ein schmaler Pfad bergan. Nach wenigen hundert Metern hat man einen kleinen Hügel umrundet und erblickt die Brücke in einer wunderschönen, hügeligen Umgebung.




Die ehemals hölzerne und später durch Steine ersetzte Konstruktion war möglicherweise Teil oder Zubringer zur alten Via Egnatia.

Würde man dem weiten Bogen des Kompsátos-Flusslaufs nach Westen bis zur bulgarischen Grenze folgen, könnte man noch andere imposante Brückenbauwerke wie die von Medusa und eines in der Nähe von Kotani bewundern. Sicherlich gibt es in diesem Gebiet unerschlossene Wanderwege entlang des Flusslaufs. Und wahrscheinlich jede Menge Tiere. Wie herrlich muss es sein, zu erträglichen Frühjahrstemperaturen die natürlichen und architektonischen Schönheiten dieser Region zu durchwandern! Wir bestaunen derweil diese eine harmonische Konstruktion. Wäre es nicht so erbärmlich heiß, könnte man sich hier noch gerne länger aufhalten und die Gegend erkunden. Doch einmal mehr lechzen wir nach unserer Auto-Klimaanlage.

Weiter fahren wir nach Osten. Nur ein kurzes Stück bleiben wir auf der Nationalstraße, dann biegen wir ab nach Sóstis.
In einer Taverne erzählt uns der Wirt (dessen Eltern Kleinasiaten sind), dass zur Zeit viele griechische Auswanderer aus Deutschland zu Besuch sind und er gute Geschäfte macht.
Gerade aus diesen Dörfern am Fuße des Gebirges, die teils ganz türkisch oder türkisch/griechisch sind, sind in den 60er Jahren tausende Einwohner dem Ruf der Wirtschaft gefolgt und zur Arbeit nach Deutschland gefahren.
Diejenigen, die mittlerweile in Rente sind, sind teilweise wieder nach Griechenland zurückgezogen – aber nicht alle. Einige haben sowohl in Griechenland als auch in Deutschland ihre Häuser und Wohnungen, pendeln hin und her. Auch für diejenigen, die nicht in Deutschland waren, haben die letzten Jahre und Jahrzehnte etwas Wohlstand durch landwirtschaftliche Fördermaßnahmen gebracht. Bis 2013 noch soll der Tabak-Anbau von der EU subventioniert werden. Auf jeden Fall haben die Einnahmen der letzten 10 Jahre dazu geführt, dass die meisten Häuser renoviert werden konnten und Infrastruktur geschaffen wurde, wie asphaltierte Straßen, Kanalisation, Schulen, Gesundheitsposten etc., was sicherlich hilft, der Landflucht entgegen zu wirken.
Alex und der Wirt verspinnen sich langsam in Geschichten über die Geschichte und das Heute. Nachdem man sogar gemeinsame Bekannte und entfernte Verwandte ausgemacht hat, lehnt der Wirt unser Geld für die eingenommenen Getränke strikt ab und wünscht uns lachend noch einen schönen Urlaub.

Auf unserer Weiterfahrt bleiben wir auf der Nebenstraße, die nun kurvig und enger in Richtung Nordosten führt. Wir passieren winzige Dörfer. Alle Ortschaften wurden an einen Bach oder Fluss gebaut, deren Betten zu dieser Jahreszeit fast alle ausgetrocknet sind oder nur noch kleine Rinnsale bilden.
Die Größe der Gesteinsbrocken in den Flussläufen lässt jedoch vermuten, mit welcher Gewalt die Wassermassen im Winter hier herunter strömen, um den Vistonída-See mit Süßwasser zu speisen.

Zwischen Sóstis und Símvola wechselt die Vegatation. Hier gibt es unzählige Kirschplantagen. Unglaublich, wie viele Kirschbäume seit vielen Jahrzehnten Menschen hier Lohn und Brot geben. Es freut mich jedenfalls zu sehen, wie die Entwicklung der Gegend, in der früher zum Teil sehr bittere Armut herrschte, dazu beigetragen hat, den Menschen nun einen bescheidenen Wohlstand und damit Sicherheit und Gelassenheit zu bieten.

In die Dörfer bergan, hinein in's Gebirge, können wir leider nicht fahren, da die Straßen nicht asphaltiert sind und wir unserem Winzling von Auto im Gebirge auch nicht wirklich viel zutrauen. Nur einmal folgen wir einer Straße bergauf, doch diese endet in einem Steinbruch.
Gerne hätte ich ein Pomakendorf besucht. Wie märchenhaft es erscheinen muss, mitten in den Bergen, ganz entlegen, in Beschaulichkeit und Ruhe zu leben. Wahrscheinlich geht die Fantasie mit mir durch. In Wirklichkeit ist das Leben so abgelegen wohl schwierig und entbehrungsreich, geprägt vom Ringen um den Erhalt der eigenen Kultur.

Von Símvola aus fahren wir wieder nach Süden und gelangen so in die Außenstadtbezirke von Komotiní und durch eine der beiden großen Roma-Siedlungen in's Zentrum. Doch zu einem Aufenthalt dort haben wir heute keine Lust mehr. Die Nachmittagssonne spiegelt sich bereits im Vistonída-See, als wir nach Fanári zurückkehren und ermattet in die Federn sinken.


Deep Purple in Thessaloníki



Datenschutzerklärung Impressum zurück zur Startseite