Ausflug nach Keramotí, Thassos und zum Nestos


Nach Keramotí

Nachdem wir uns in Fanári schon zwei Tage wunderbar entspannt haben, wollen wir am Nachmittag über Umwege nach Keramotí fahren, um Verwandte zu besuchen. Die riesige, grüne Ebene, durch die wir zunächst zuckeln, wird intensiv landwirtschaftlich genutzt. Wasser, das sich aus den Höhen des Rhodopen-Gebirges hier sammelt, sorgt für guten, ergiebigen Boden, aber auch für weite Sumpfgebiete. Diese waren früher noch wesentlich ausgedehnter, wurden aber im Laufe etlicher Jahrzehnte trocken gelegt und für den Ackerbau nutzbar gemacht.
Die vorwiegend angebauten Feldfrüchte sind Baumwolle und Mais. Tabak sehen wir kaum noch, obwohl die Region berühmt dafür war; man denke an die alte Tabakbörse von Kavála. Vielleicht wird Tabak als Folge der Anti-Raucher-Gesetzgebung von der EU nicht mehr subventioniert, andere Früchte aber schon, wer weiß.
Irgendwo erwischt uns der intensive Geruch nach gemähtem Klee, der als Viehfutter verwendet wird. Vereinzelt erspähen wir auch kleinere Schafherden.
Überall stehen die charakteristischen Räder für die Wasserschläuche. Traktoren tuckern gelegentlich über die Straße. Die Getreidefelder sind auch hier bereits abgeerntet. Gepresste Getreideballen liegen zum Teil noch auf den Feldern.


Agios Nikólaos bei Pórto Lágos

Schon von weitem sichtbar ist die kleine Kirche des Agios Nikólaos nahe beim Fischerdörfchen Pórto Lágos. Die Kirche steht mitten in der Lagune und ist auf einem Holzsteg über seichtem Wasser erreichbar, ein kleines Wahrzeichen dieser Region und – wie so viele griechische Kapellen - ein Ort der Ruhe. Alex erzählt von früher, als nahe Verwandte bei einem Kirchenbesuch einmal so eingeschneit wurden, dass sie mehrere Tage lang dort bleiben mussten.


Im Inneren der Kirche fallen das vergoldete Témplon und die vielen ebenfalls goldstrahlenden Details ins Auge, und die große Ikonen.


Über einen weiteren, jedoch recht klapprigen Steg mit losen Bohlen, kann man ein Kloster erreichen, das der Panaghiá gewidmet ist. Doch wir belassen es beim Besuch der Agios Nikólaos und setzen unseren Weg fort.



Avdhirá / Skála

Weiter geht unsere Bummelfahrt durch kleine Dörfer, die im Aufschwung sind. Die Straßen sind gut, es gibt sogar Kindergärten. Auch die Kirchen sehen neu renoviert aus. Herauszuheben ist, dass in Avdhirá (Abdera) der griechische Philosoph Demokrit geboren wurde.
Wir sind abgebogen und den Schildern zur Ausgrabungsstätte gefolgt. Von einer schmalen Straße aus sieht man das Gelände des alten Avdhirá, seine Grundmauern. Es liegt ziemlich einsam und verlassen da, niemand, der sich am heutigen Nachmittag für die antiken Überreste zu interessieren scheint. Und auch wir möchten weiter zu unserer Verabredung, wenden und fahren zurück zur Hauptroute.

Ein weiteres Dörfchen, das wir passieren, heißt Mángana, und ich erwähne es deshalb, weil auf vielen der Strommasten Störche nisten. Es ist das erste Mal, dass ich diese großen Vögel in ihren Nestern bestaunen kann.


Die „Kleinen“ sind mittlerweile flügge, starten ihre ersten Versuche.



Langsam nähern wir uns dem Néstos, überqueren ihn über eine Brücke, biegen auf die Vía Egnatía ein, aber nur für ein kurzes Stück. Der Fluss verliert jetzt im Hochsommer erheblich an Wasser. Träge fließt es zum nahen Meer. Einige Wege und schmale Straßen zweigen zum Flussdelta ab. Mücken müssen dort jetzt zu Billionen sein.

Von der Vía Egnatía biegen wir wieder auf die alte Nationalstraße ab, fahren Richtung Chrissoúpoli (Goldstadt). Das Nachbardorf heißt Chrissouchóri. Was haben die Ortschaften tatsächlich mit Gold zu tun? Vielleicht ein Bild für den sehr fruchtbaren Boden, der gute Ernten hervorbringt.

Keramotí ist jetzt nur noch wenige Kilometer entfernt. Es wird touristischer. Neubaugebiete wurden für Ferienhäuser erschlossen. Viele Deutsche haben das genutzt, auch reiche Bulgaren, die prächtige Häuser gebaut haben. Und natürlich Griechen aus der näheren und weiteren Region.
Keramotí – so sehen wir - ist ein beschaulicher Ferienort mit Hotels, Restaurants und allem, was man in den Ferien so braucht.
Leider stellen wir fest, dass wir unser Handy vergessen haben, in dem die Telefonnummer gespeichert ist, die wir anrufen sollen, um uns an einem Treffpunkt abholen zu lassen. Die genaue Anschrift haben wir auch nicht dabei. An einer Tankstelle am Ortsausgang halten wir und fragen nach den Verwandten, die allerdings hier auch nur ein Ferienhaus haben und nicht ursprünglich aus dem Ort stammen. Ein junger Mann ist mit ihnen bekannt und bringt uns zu unserem Ziel, doch etwas außerhalb in einen Nachbarort.


Abendbummel durch den Hafen

Einen Abstecher nach Keramotí für ein paar Besorgungen nutzen wir, um ein Stündchen durch den Hafen zu bummeln. Auf Fischerbooten wird gewerkelt. Zwei Männer ziehen etliche mittelgroße Fische, die sie heute gefangen haben, aus dem Netz.


Langsam geht die Sonne unter. Eine der Fähren nach Thássos legt ab, dreht und stampft davon. Thássos, mit seinen hohen Bergen im Hintergrund, davor, wesentlich kleiner, Thassopoúla.
Ein Segelboot kommt mit Bikinischönheiten von einer Fahrt zurück, auch andere Bootsführer legen im ruhigen Wasser an, genießen den Frieden dieser Tageszeit.




Sonntag Morgen

Am frühen Morgen, auf der Terrasse beim Kaffee sitzend, schallt es aus verschiedenen Richtungen: von links der Pfarrer, der über Lautsprecher die Messe liest, von rechts ein Verkäufer, der mit dem Pickup unterwegs ist und ebenfalls über Lautsprecher seine Melonen anpreist: „Ich verkaufe Pepónia! Ich verkaufe Karpoúsia! Gute Ware! - Man kann sie mit dem Messer schneiden, mit der Säge - und mit der AXT!“ Das überzeugt. Wir möchten Pepónia und Karpoúsia kaufen.

Unser Gastgeber P. (männlich) bedeutet dem Fahrer, vor der Terrasse des Hauses zu warten. Er bestellt laut rufend eine Honig- und eine Wassermelone. Bis P. zum Wagen gegangen ist, hat der Händler bereits drei Honig- und zwei riesige Wassermelonen in Plastiktüten gepackt. F. (P.’ s Ehegattin) ruft von der Terrasse her, dass das viel zu viel ist. Nur eine von jeder Sorte! Der Händler versucht P. zu überzeugen. P. schaut hilflos und überfordert, sitzt zwischen allen Stühlen. F. ruft weiterhin laut: „Nur eine von jeder Sorte!“ Widerwillig räumt der Händler von jeder Sorte wieder eine Melone aus der Tüte, sein Kompromissangebot: 2 Pepónia und 1 riesige Karpoúsi, während er weiter auf P. einredet. F. versucht immer noch von der Terrasse her wortgewaltig Einfluss zu nehmen, muss sich jedoch geschlagen geben. Als P. bezahlt und die Tüten zum Haus trägt, steigt der Händler hurtig in seinen Wagen und fährt blitzschnell davon, nicht dass noch jemand auf die Idee kommt, weitere Melonen zurückzugeben.
Die erworbenen Früchte werden sogleich teilweise zerlegt, damit sie in den Kühlschrank passen. Später werden wir davon essen: Gut gekühlte, frische, saftige Früchte – hmmmm, lecker. Davon könnte man tatsächlich noch mehr vertragen!


Ausflug nach Thássos

Von Keramotí aus fahren viertelstündlich Fähren zur Insel. Vielleicht ist dies nur in der Hauptsaison so. So auch am heutigen Sonntag. Bereits am Morgen sind es an die 40 Grad und so verwundert es nicht, dass auch unsere Fähre um 9 Uhr schon gut besetzt ist mit Wochenendurlaubern oder Tagesreisenden, die sich an einem Strand auf der Insel abkühlen wollen, just for a change.
Mit Blick auf das Hafengeviert legen wir ab.


Ruhig tuckert die Autofähre durch die ruhige See. In flirrender Hitze suchen wir uns schnell ein schattiges Plätzchen.
Kinder und Erwachsene füttern mit wachsender Begeisterung die Möwen, die über Jahrzehnte konditioniert, das Schiff die ganze Strecke hinweg begleiten und in wagemutigen Flugmanövern versuchen, die dargebotenen Leckerbissen zu erhaschen und gegen die Artgenossen zu verteidigen.



Eine Musikantentruppe spielt ein paar nette Liedchen und erhält ihren Obulus dafür. Wir passieren den kleinen und unscheinbaren Kegel von Thassopoúla, nähern uns gleichzeitig der großen Schwester Thássos an.


Durch die Hitze und das Gegenlicht erscheinen die Details nur verschwommen und milchig. Noch nie war ich auf Thássos, bin gespannt auf die Insel.

Wir freuen uns jedoch zunächst auf die Klimaanlage unseres Autos. Also rein ins KFZ und den Körper wieder runterkühlen, bevor wir Fähre und Hafen verlassen und uns nach links wenden. Unsere Gastfamilie fährt vor, sie kennen sich hier aus. Wunderschön schattig windet sich die Fahrstraße hügelan in einen Platanen- und Kiefernwald und bietet zwischendurch Ausblicke auf das nordägäische Meer.
Unser Ziel ist zunächst Panaghiá, dessen Zentralplatz von schmucken Häusern und alten Platanenriesen bestanden ist. Das jahrhundertealte Dorf ist adrett für die Gäste hergerichtet.
Allerdings dient unser Besuch nur einem Zwischengeplänkel, nämlich einem weiteren Kaffee zum richtigen Wachwerden. In den Lokalen sind fast alle Plätze besetzt, es wird kräftig geschwatzt. In einem Café quetschen wir uns an einen Tisch, schlürfen einen Frappé, während die Kinder sich bereits am Brunnen direkt daneben erfrischen. Auch wir erhalten jeder ein Glas dieses köstlichen, frisch gezapften Wassers.

Da wir ja nicht soviel Zeit haben und am Nachmittag wieder zurück auf’ s Festland wollen, fahren wir nach dem Dorfbesuch geradewegs bergab zum Chríssi Amoúdia (Goldstrand). Uns erwartet ein Meer von Sonnenschirmen, Liegen und Badenden, der Vergleich mit den Heringen in der Büchse ist durchaus angebracht. Bin etwas enttäuscht, doch mit meinem Vorschlag, einen anderen Strand aufzusuchen, stehe ich allein: zu viel Action für zu wenig Zeit. Recht haben sie! Noch vier freie Liegen unter zwei Schirmen stehen hinten in der 4. Reihe an der Mauer, und die schnappen wir uns. Kein laues Lüftchen weht und die Sonne knallt unerbittlich durch den Schirm.


Flugs ins Badehäuschen zum Umziehen und dann kopfüber ins Meer, da brauchen wir keine großen Einladungen. Und da bleiben wir auch erst mal, schwimmen, treffen uns im seichteren Gewässer, labern und scherzen herum, treten Wasser, die Kids beim Tauchen und Späßchen machen, auf die Schultern eines Erwachsenen hoch und dann wieder kopfüber ins Nass. Ein herrlicher Sonntag, ein wunderschöner Ausflug, gute Laune und Erholung pur an diesem Goldstrand, dessen Name sicherlich vom Geschäftssinn der Schirm- und Liegenvermieter herrührt: Pro Schirm zahlen wir 7 €. Goldige Zeiten!
So wie wir vergnügen sich noch ganz viele andere Menschen. Am liebsten würde man gar nicht mehr raus aus dem Wasser, doch als die Haut zu schrumpeln anfängt, machen wir es uns auf den Liegen bequem. Wunderbar, großartig, einfach mal alles fallen zu lassen, die Augen zu schließen, und mitten im Menschengewimmel ein kleines Nickerchen zu machen.

Einige Zeit später überkommt uns der Hunger und wir fahren wieder hoch ins Dorf. Im größten Restaurant am Platz finden wir einen Tisch. Große Ventilatoren mit integrierten Wassernebelsprühern sorgen zumindest für ein klein wenig Abkühlung, während vom Grill her nicht nur ein köstlicher Duft, sondern auch eine Bullenhitze herüberweht. Wir bestellen ap’ óla polí. Unser Tisch biegt sich unter den Tellern mit Gebratenem und frischen Salaten. Innerhalb der nächsten Stunde füllen wir unsere Bäuche, und zwar so prall, dass uns hinterher eine bleierne Schläfrigkeit befällt und uns fast die Augendeckel zufallen. Auch ein starker Kaffee schafft da keine Abhilfe.

Zum Abschluss unseres Thassos-Besuches erkunden wir noch die nähere Umgebung per PKW, wo mitten im Wald ein Ferienlager für Kinder in Form einer Jugendherberge liegen soll. Einige Jugendliche passen uns jedoch schon vorher ab und versorgen uns mit einer Infobroschüre.


Zurück zum Anleger und gleich rauf auf die nächste, prall gefüllte Fähre, und wieder begleiten uns die Möwen auf der Fahrt zurück zum Festland. Nur einen winzigen Eindruck haben wir von der waldreichen Insel erhalten, doch die Faszination unserer Gastgeber ist auf uns übergeschwappt. Wir können uns durchaus vorstellen, das Eiland zu einer anderen Jahreszeit (zumindest nicht während einer Hitzewelle bei Temperaturen um 40 Grad) wieder zu besuchen und weitere Teile zu erkunden.

Wieder in Keramotí angelangt sind wir schließlich so träge, dass es nur noch zwei Möglichkeiten gibt: Entweder sich gleich flach hinlegen und schlafen oder sich berappeln, aufbrechen und zurück nach Fanári fahren.
Vor unserer Weiterfahrt erfrischen wir uns an jenen Melonen vom Morgen – himmlisch-kühle saftige Süße! Danach verabschieden wir uns und sitzen erst mal eine Weile im klimatisierten Auto, um in der schlimmen Nachmittagshitze wieder einen klaren Kopf zu bekommen. Wir sind uns sicher, dass unsere Gastgeber gleich in die Betten gefallen sind.


Ta stená tou Néstou

Unsere Fahrt führt über die Nationalstraße zurück über Chrissoúpoli hoch zum Néstos, den wir wieder über die Brücke überqueren. Alex hat von der Engstelle bei Toxótes (Stená tou Néstou) gehört, einem Ort, an dem man eine gute Aussicht auf den sich windenden Fluss haben soll. Erst im zweiten Anlauf finden wir uns zurecht. Toxótes ist hinter der Néstos-Brücke ausgeschildert, doch unsere Fahrt bergauf bietet uns keine Flussblicke.
Also wieder zurück und jetzt klappt es. Noch vor dem Schild nach Toxótes biegt man nach links ab und folgt der Straße, dann nach rechts. Man überquert zweimal die Bahnlinie, bis schließlich die Straße am Fluss auf einem kleinen Parkplatz endet.

Die Idee hierherzukommen hatten auch schon einige andere. Hier kann man es aushalten, unter dem dichten Laub der Bäume am Ufer des Néstos. Der führt an dieser Stelle so wenig Wasser, dass man problemlos über den feinsandigen Grund bis zur Mitte des breiten Bettes teils spazieren, teils waten kann.


Allerdings braucht es eine Weile, bis Füße und Beine sich an das eiskalte, klare Wasser gewöhnt haben. So wohltuend ist diese Erfrischung, so belebend für den Körper, dass wir wieder richtig munter und unternehmungslustig werden und nach unserem Kneippbad einem kleinen Steinpfad folgen, der sich am Ufer des Flusses schnell bergan windet.
Mit einer famosen Sicht auf einige Flusswindungen im beginnenden Sonnenuntergangslicht werden wir belohnt, als wir nicht weit entfernt von einem Bahntunnel anhalten. Der schiere Wahnsinn, so denken bestimmt auch die Paraglider, die plötzlich am Himmel erscheinen und sanft nach unten durch die nächste Flusskurve entschwinden.




Den mit 225.000 EU-Euros gesponserten, steinernen Pfad kann man noch sehr viel weiter gehen, doch uns reicht für heute dieser kleine Einblick in die Uferlandschaft des breiten Flusses. Über zum Teil sehr glattgeschliffene Steine steigen wir vorsichtig wieder hinab.

Zurück am Nestos-Ufer können wir nicht widerstehen und nehmen ein weiteres Fußbad, während einige junge Leute sich für eine Grillparty rüsten. Die Musik spielt schon vom Band, irgendwas Modernes, auch das Grillfeuer auf dem Boden lodert bereits. VORSICHT, BRANDGEFAHR! – möchte ich ihnen am liebsten zurufen, verkneife es mir aber. Sie sind alle erwachsen. Ich persönlich würde bei einer solchen Hitze kein offenes Feuer machen! Aber sie tun es, und zwar ohne mit der Wimper zu zucken. Es ist aber alles gut gegangen, denn bei einem späteren Besuch sehen wir, dass noch alle Bäume existierten.

Unser Rückweg nach Fanári führt bereits in den Sonnenuntergang hinein. Eine Wolke wird derart grandios angestrahlt, dass ihre Konturen weit erkennbar glitzern. Dieses wundervolle ägäische Licht! Wie heißt es im Vorwort zu Níkos Kazantzákis' Buch Im Zauber der griechischen Landschaft:
"...Was die Berge, die Dörfer, die Erde Griechenlands schwerelos und durchsichtig erscheinen lässt, ist das Licht. Das Licht in Italien ist weich, weiblich; das Licht Ioniens ist lieblich, von orientalischer Sehnsucht, in Ägypten ist es dickflüssig und wollüstig; das Licht in Griechenland ist voller Geist; solches Licht half dem Menschen, klar zu sehen, Ordnung in das Chaos zu bringen, es zum Kosmos zu gestalten. Und Kosmos, Welt heißt Harmonie..."



Über Umwege nach Marónia



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