Rückkehr nach Deutschland



Eine weitere gute Nacht in unserem Hotelzimmer schließt sich an, doch schon früh klingelt der Wecker. Wir haben noch ein wenig Zeit für eine kurze Tasse Kaffee einkalkuliert, in der Nähe des Busbahnhofs wollen wir uns eine letzte Portion Bougátsa einverleiben. Man hat uns den 10-Uhr-Bus empfohlen, um so gegen 12.30 Uhr in Thessaloníki anzukommen.

Unsere Fahrt aus Kavála heraus führt im ultramodernen Überlandbus ab der KTEL-Station einen Hügel herauf und gewährt uns einen weiteren fantastischen Blick über den größten Teil der weißen Stadt bei schon über 30 Grad um diese Uhrzeit. Mit wehmütigen Gedanken nehmen wir Abschied.

Die Busstrecke führt über die Via Egnatía. Nächster Halt ist Elevtheroúpolis, ein kleiner Ort, in dem Ioánnis Kótsiras einige Tage später ein Konzert geben wird, wie wir den Plakaten entnehmen. Da wären wir gerne hingegangen!

Die Strecke, die weiter zum Strimónas führt, erinnert etwas an die Kasseler Berge: Es ist kurvenreich und hügelig. Kleine Dörfer inmitten fruchtbarer Felder und Olivenhaine. Der Fluss führt noch reichlich Wasser, jetzt im August.
Direkt am Straßenrand ist der riesige marmorne Löwe von Amfípolis aus dem vierten vorchristlichen Jahrhundert vom Bus aus in seiner vollen Pracht zu sehen.

Wir fahren weiter am Strimonikós Kólpos entlang und erspähen Muschelzuchten im glatten, unbewegten Meer. Sommerhäuser griechischer Familien säumen die glatte, blaue Fläche, Kies- und Sandstrände laden zu einem erfrischenden Bad im Meer ein. Das Ambiente der Ortschaften ist mäßig touristisch, ansonsten scheint man sich nach den Bedürfnissen der Einheimischen zu richten.

Den Límni Vólvi (Volvi-See) passieren wir auf seiner Nordseite. Auch hier ist das Wasser spiegelglatt, eine Fläche, in der sich Häuser, Bäume und Hügel des gegenüber liegenden Ufers in verschieden breiten und unterschiedlich hellen Grautönen spiegelt. Der Anblick hat etwas Märchenhaftes, Unwirkliches. Allein Wasservögel wie Enten, Schwäne, Reiher und Pelikane dümpeln am sumpfigen Ufer, das sich jetzt im Hochsommer wesentlich weiter in Richtung Seemitte befindet als in den wasserreichen Jahreszeiten.

Wir passieren den Ort Profítis und den Límni Korónia (Korónia-See) in einiger Entfernung und daher weniger spektakulär. Bald darauf erreichen wir über eine teilweise fünfspurige Autobahn die Außenbezirke von Thessaloníki. Unser Bus hat die geplante Zeit also eingehalten.

Der neue Busbahnhof befindet sich in einem Gebäude, die Auspuffdämpfe werden abgesaugt, doch heiß ist es auch hier. Dieser riesige Busbahnhof ist sehr gut organisiert, in einer Nebenhalle kann man Tickets zu weiteren Fahrzielen erwerben.

Die Stadtbusse fahren gleich draußen ab, Tickets (50 ct.) erwirbt man ebenfalls dort. Der nächste Bus – quer durch die Stadt – in Richtung Airport (Linie 78) steht schon bereit und fährt 10 Minuten später ab. Noch einmal passieren wir das Viertel, in dem wir bei unserer Ankunft vor knapp drei Wochen herumspaziert sind. Vergessen ist der Regen. Die dicht befahrene Innenstadt lässt den Bus oft anhalten, sodass wir letzte Blicke auf das Alexanderdenkmal und die Hafenzeile werfen können. Wir schaffen die Fahrt in einer mehr als guten Stunde, haben also noch eineinhalb Stunden Zeit zum Einchecken.

Merkwürdigerweise bekommen alle Reisenden unserer beiden langen Warteschlangen ihr Gepäck nach der Eincheckzeremonie wieder ausgehändigt, so dass man sich danach in einer weiteren langen Schlange anstellen kann. Keine Zeit, um irgendwo noch in Ruhe einen Kaffee zu trinken. Am nächsten Schalter wird das Aufgabegepäck durchleuchtet und weitergeleitet. Das Handgepäck wird auch hier genau begutachtet, insbesondere auf Flüssigkeiten hin untersucht. Endlich kommen wir am Gate an, noch eine halbe Zigarette und wir checken ein. Eine junge Deutsche erklärt uns, dass sie jemanden auf der Chalkidikí besucht habe, auch ein paar Mal in Thessaloníki gewesen sei. Sie sei sehr erstaunt, dass hier am Nachmittag alle Geschäfte geschlossen sind, das sei doch unwirtschaftlich. Und sie erzählt noch vom Fußballspiel, das sie am Vorabend besucht habe (uns das die griechische Mannschaft gegen die spanische 1:2 versemmelt hat). Im Flughafenbus setzt sie sich still in eine Ecke, Sonnenbrille auf, das Gesicht ganz versteinert. Ach ja, wie gut kenne ich diese Augenblicke, wenn man endgültig Abschied nimmt...wer weiß, wann man sich wieder sieht, Herzeleid.

Uns jedoch ist bewusst, dass Thessaloníki gar nicht so weit von Deutschland entfernt ist, zumindest nicht mit dem Flieger. Wir kommen wieder!

Auch diese Maschine der Aegean bietet uns wieder angenehme Beinfreiheit. Ein gemütlicher Flug mit ein wenig Schaukelei und eine Landung in Frankfurt, bei der man zwar kaum die Bodenberührung spürt, dafür der Pilot aber scharf in die Eisen steigen muss, um noch das Ende der Landebahn zu erwischen. Alles halb so schlimm.

Ein letztes kleines Erlebnis am Frankfurter Flughafen hält uns gefühlsmäßig noch etwas in Griechenland. Im Bahnhof werden wir von einer Griechin angesprochen. Sie fragt uns, ob ihr Ticket bis Offenbach reichen wird. Wir geben ihr Auskünfte, so gut wir können und warten auf unsere gemeinsame S-Bahn. Schnell ist man im Gespräch über das Woher und Wohin. Sie selbst stammt aus Véria, der griechenlandweit bekannten Pfirsisch-Gegend. Sie schwärmt uns von ihren eigenen Bäumen vor, von der Landschaft, dem Wasserreichtum, dem guten Leben, das sie dem deutschen bei weitem vorziehe. Die Deutschen würden einfach keine Paréa kennen, so wie die Griechen, meint sie, das hätte sie hier am meisten vermisst. Langsam stellen wir uns schon vorne ans Gleis, denn der Zug wird jede Minuten kommen. Da bückt sich unsere Begleiterin, öffnet mitten in der Rushhour in dickstem Gewühl ihren Koffer und zaubert einen dieser Pfirsische hervor, den sie mir mit einem ganz warmen und lieben Lachen in die Hand drückt. Ich solle ihn noch zwei oder drei Tage reifen lassen und dann probieren, er wäre etwas ganz Besonderes, meint sie.

Was sagt man dazu, diese spontane Geste macht das Herz ganz weit. Wir bedanken uns herzlich, lachen zusammen, reden, schwatzen durcheinander und fahren unterdessen mit der Bahn zum Hauptbahnhof, wo wir nur noch knappe fünf Minuten bis zur Abfahrt unseres Zuges nach Saarbrücken haben. Schnell müssen wir uns verabschieden, stolpern die Rolltreppe hoch, begleitet von „Kalo-Taxidi-Rufen“, drehen uns noch einmal um und sehen, dass sie schon andere angesprochen hat, die ihr weiterhelfen können. Wir sind uns einig, dass diese Frau selbst in Peking an ihr Ziel kommen würde.

Auf unserer Weiterfahrt beschert uns der pfälzisch-saarländische Himmel einen kraftvoll-bunten Sonnenuntergang, den wir zum Ausklang unseres Urlaubs als ein weiteres Geschenk erleben, ebenso wie der Empfang, den wir zu Hause erleben.


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Noch ein wenig wollen wir träumen, das Erlebte festhalten: