Fahrt nach Profítis Ilías und Pachiá Ammos



Heute Morgen sind wir schon zeitig auf. In Profítis Ilías, dem Bergdorf, bekannt für sein leckeres Ziegenfleisch, möchten wir gerne einkehren und die Aussicht genießen, und dann weiter zum Strand von Pachía Ammos, dem „fetten Sand“, düsen. Auch vom Besuch der Dörfchen unterwegs versprechen wir uns ein paar nette Inseleindrücke.

Unser Frühstück fällt nicht ganz so ausgedehnt aus wie sonst, statt dessen packen wir unsere Untensilien, damit wir bald loskommen. Das Riesenhandtuch und die Flossen sind schon auf den Gepäckträger geschnallt, noch den Rucksack umgehängt, die Helme auf und los geht die Fahrt, wie gehabt: Aufsitzen, anrollen, "Achtung!", Gang reinhauen.

An der Kreuzung am Hafen von Thérma biegen wir nach links ab und genießen die Fahrt auf der Küstenstraße. Vorbei an Kariótes zieht sich der Weg knapp 15 Kilometer bis nach Kamariótissa. Hier erledigen wir noch ein paar Kleinigkeiten. Unter anderem kaufen wir unsere Fährentickets, denn in zwei Tagen müssen wir schon wieder aufs Festland, wenn wir nicht völlig abgehetzt in Thessaloníki zu unserem Rückflug ankommen wollen. Besser ist besser, denn der Besucheransturm zum Panagiá-Fest am 15. August war sehr üppig, vielleicht wären die Plätze auf der Fähre bei einer kurzfristigern Buchung sonst ausverkauft.

Auf dem Weg nach Chóra füllen wir den Tank bis zum Rand, man weiß ja nie, wo man noch landen wird. Hinter Chóra biegen wir links ab und gelangen über eine Betonpiste in einen dichten Kiefernwald. Zunächst jedoch müssen wir eine Steigung überwinden, bei der unser Papáki müde lächelnd abwinkt. Ich steige ab und gehe die paar Meter nach oben zu Fuß, nur um festzustellen, dass die Abfahrt genau so steil nach unten führen wird. Irgendwie wird uns da doch ein wenig bang, so dass wir beschließen, wieder umzukehren, und mal lieber nach dem Weg zu fragen. Wir vermuten nämlich, dass wir ganz falsch abgebogen sind.

Tatsache, unser erster Versuch brachte uns tatsächlich nicht auf den Weg nach Profítis Ilías. Es gibt dort gleich hinter Chóra mehrere Abzweigungen, wir sollen einfach nur die mittlere nehmen. Diese führt nach Alónia, das wir, ohne anzuhalten, durchfahren. Für uns gibt es da nichts zu schauen, man lebt halt dort. Ich habe in solchen vom Tourismus recht unbeleckten Dörfern immer das Gefühl, in die Privatsphäre der Bewohner einzudringen, wenn ich die Straße entlanggehe und in die Höfe gaffe.

Langsam und stetig windet sich die Straße nach oben. Ausgedehnte Olivenfelder überraschen das Auge, silbrig-grün flirrende Bäume, ein Landschaftsbild, das mir von Kreta so vertraut ist. Ausblicke auf das tiefblaue Meer lassen den Blick in die Ferne schweifen.


Unser Papáki müht sich brav durch die zahlreichen Kurven bergan. Ab und zu halten wir an, genießen die Sicht und gönnen dem Moped eine Pause. Wir haben Zeit und Geduld. Kurz vor Profítis Ilías gibt es noch ein paar steilere Rampen, die ich dann mal lieber zu Fuß erklimme, weil das Moped diese Steigungen nicht mag. Doch bald erreichen wir in heißer Mittagssonne unser erstes Ziel, das in luftiger Höhe und in wasserreicher Gegend liegt.

Profítis Ilías war uns von unseren neuen Zimmernachbarn in Thérma empfohlen worden, einem Tscherkessen mit seiner griechischen Frau, die in Stuttgart (wie könnte es anders sein) gearbeitet haben und jetzt in Athen leben, und die uns einfach gut leiden können, immer wieder das Gespräch mit uns suchen.

Ein kühles Getränk täte jetzt gut, obwohl wir schon an der Durchgangsstraße, unterhalb einer Ausflugstaverne, erfrischendes Wasser aus einem öffentlichen Kranen gezapft haben. Während wir die Treppe zu dieser Taverne erklimmen, schießt mir ein Gedanke an frischen Tsatsiki mit Brot durch den Kopf. Der mittlerweile obligatorische Gurken-Tomaten-Salat darf auch nicht fehlen.
Oh Sünde – da senden zwei Ziegen ihren Duft vom Grill über die Terrasse zu uns herüber. Sie sind jetzt gerade gar geworden, schön knusprig außen. Fast alle Ziegen laufen auf Samothraki frei herum und fressen die leckersten Kräuter. Genau das gibt dem Fleisch die Würze, daher ist Ziege auf Samothráki eine absolute Delikatesse, und Profítis Ilías ist das Delikatessenzentrum. Wie zum Beweis lauschen wir ungewollt dem Handytelefonat einer Frau: „Wie es mir geht? – Guuut! Ich habe 5 Kilo zugenommen, ich esse jeden Tag Ziege!“ Gelächter ...


Bald fangen wir an zu sabbern, so verführerisch duftet das Fleisch. Was können wir tun? Wir bestellen eine Portion und werden gefragt, wie viele Kilos es denn sein sollen, ernten verständnislose Blicke, als wir mit „Grammária“ (Gramm) ankommen. Letztendlich wird es eine deftige Portion für zwei Personen. Das Fleisch fällt förmlich vom Knochen, die Kruste schmeckt pikant nach Kräutern. Wir putzen die Platten innerhalb kurzer Zeit komplett leer, erhalten dann als Nachtisch frische, kühle, saftige Karpoúsi. Ein Frappé rundet das Gaumenhighlight ab.

So gestärkt erkunden wir nach einer kleinen Verschnaufpause den Ort, suchen die Kirche mit dem Namen des Propheten Elias. Die Kapelle beim Friedhof, mit der Ikone des Agios Ilías, steht exponiert auf einem kleinen Vorsprung und bietet einen überwältigenden Blick bis weit über das Meer.


In einer Taverne unterhalb des Hügels ist eine griechische Reisegesellschaft gerade im Aufbruch begriffen. Thrakische Musik erfüllt den Außenraum der Taverne, wo Essenreste von einem üppigen Mahl zeugen. Ich wette, es gab Ziege! Vereinzelt wird auf dem Betonfußboden getanzt, die prächtige Stimmung wirkt ansteckend. Einige winken uns zu, tanzen noch ein bisschen, bevor sie in den Reisebus steigen.

Nach unserer Dorfbesichtigung möchten wir nun endgültig zum Strand, denn die Temperaturen quälen sich an die 40-Grad-Marke heran. Ein abenteuerliches Unterfangen nimmt seinen Lauf. In Lákoma biegen wir nach links ab. Bergauf und bergab fahren wir. Mit fortschreitender Zeit bin ich überzeugt davon, dass wir einen Umweg fahren, dass es einen Weg parallel zur Küste gibt. Wir jedoch bewegen uns immer höher in die Berge hinauf, denn jedes Mal, wenn wir bergab gefahren sind, sehe ich weiter vor uns, dass unsere Route auf dem nächsten Hügel noch weiter bergan führt. Das alles wäre wunderbar, würde unser Papáki mitspielen. Mit uns beiden auf dem Sitz geht zwischendurch einfach nichts mehr.

Bergab fahren wir vorsichtig - "ACHTUNG, ICH SCHALTE!!" – und ich kralle mich wieder fest, versuche beim Vorwärtsruck mein Kinn zu schützen. Den Bergabschwung müsste man einfach mitnehmen können, wäre nicht in jeder Talsohle eine dieser ekeligen Kurven mit Schotter am Rand. Da kann man nicht einfach mit Zasta hinein. Also abbremsen, und mit gerade noch zulässiger Geschwindigkeit in die Kurve. Von vorne der unverhohlene Vorwurf: "DU LENKST!!" Ich von hinten ganz unschuldig: "ICH? - Ich lenke nicht, wie soll ich denn lenken können?" Mittlerweile heil durch die Kurve gekommen und schon stehen wir wieder vor so einer Steilwand, das Papáki hat im Nullkommanichts und ohne unser Zutun die Geschwindigkeit auf einen Stundenkilometer gesenkt, einen niedrigeren Gang kriegt man so ohne weiteres nicht hinein. Allein der Versuch ist strafbar. Plötzlich heult das Teil auf und macht einen Riesensatz, bäumt sich wie ein wildes Pferd auf. Entsetzt springe ich ab, der Fahrer hält den Griff mit eisernen Fäusten fest und bezwingt das Monsterross, das schon auf dem sicheren Weg in den Graben war.

Von jetzt an erklimme ich die Hügel zu Fuß. Und so nimmt die Trimm-dich-Strecke ihren Lauf. Bergab fahren wir zusammen, bergan steige ich me ta pódia. Merke, dass ich doch noch ganz schön fit bin, irgendwie macht das alles schon wieder richtigen Spaß. Einen Teil der mittäglichen Ziege habe ich mir im Schweiße meines Angesichts schon wieder abtrainiert.

Nach etlichen Hügeln gibt es einen Abzweig zur Kapelle der Panigía Kremniótissa, selbstverständlich steil BERGAN. Ein kleiner Scherz am Rande, dass wir doch eigentlich wegen IHR diesen Weg auf uns genommen haben und doch noch schnell dort hinauf düsen könnten......... Höhö, nee,nee........ Aussicht hatten wir für heute schon genug.

Mit einem Mal präsentiert sich die Bucht von Pachía Ammos vor uns.


Früher gab es am Strand einen Bambusverschlag mit einem aggregatgetriebenen Kühlschrank, gefüllt mit kaltem Bier. Heute verleiht und verkauft eine Taverne, was man an einem schattenlosen Strand gebrauchen kann: Liegen, Sonnenschirme, Getränke und Essen. Und kostenlose Musik. Diese schallt über den gesamten Strand, hallt an den ihn begrenzenden Felsen wider. Die Musikrichtung trifft nicht unseren Geschmack: Ohrenbetäubend laute Technomusik auf einer – wie wir später erfahren – sich endlos wiederholenden Scheibe, jeden Tag dasselbe. Es ist grausam.

Das Bad im Meer genießen wir trotzdem sehr, versuchen die Ohren „auf Durchzug“ zu stellen. Kristallklares Wasser, keine Steine, sondern grobkörniger Sand, kleine Fischchen, die einem um die Beine schwimmen, traumhaft, gerade jetzt zur blauen Stunde.


Eine britische Jacht dümpelt in einiger Entfernung, Thássos im Hintergrund. Mittlerweile hat sich die Musik von „Ufta-Ufta“ auf ein sich regelmäßiges wiederholendes „U-U-U-A-A-A“ eingependelt, fürchterlich, doch „Ti na kánoume?“

Langsam geht die Sonne hinter dem Hügel unter, der die Bucht rechts begrenzt, und so sitzen wir jetzt im Schatten, schauen auf die sich leicht kräuselnden Wellen, die die zarten Farben des Himmelsaquarells widerspiegeln.

Unser Rückweg gestaltet sich weniger sportlich als angenommen. Nachdem ich den ersten Hügel erklommen habe – das Papáki bestreikt mich als zweite Person bergauf auch weiterhin – halten wir ein Auto an, und das freundliche, junge, griechische Paar nimmt mich mit bis nach Kamariótissa. Wie ich vermutet habe, gibt es eine andere Verbindung, die nicht durch die Berge führt, kürzer ist und weniger dramatisch verläuft. Dass wir den Weg trotzdem gepackt haben, darüber freuen wir uns umso mehr, und die Atmosphäre in der Abgeschiedenheit der Berge war famos.

Da wir das Moped jetzt nicht mehr brauchen, geben wir es gleich zurück. So werden wir den nächsten Tag, unseren letzten auf Samothráki, ohne organisatorische Mühen, sondern ganz für uns haben.

Auf den Bus nach Thérma müssen wir noch etwas warten. Nach einer Erfrischung in einem Café unternehmen wir daher noch einen kleinen Hafenspaziergang, bestaunen die Windräder in einiger Entfernung, schauen uns die im Hafen dümpelnden Schiffe an. Mittlerweile ist es schon fast dunkel geworden. Eine weitere laue Sommernacht unter dem griechischen Sternenzelt nimmt ihren Verlauf.


Im Hafen wird geangelt, einige der kleinen und größeren Fischerboote sind auch schon teilweise ausgelaufen.
Die Atmosphäre in diesem Städtchen gefällt uns sehr. Viele Bewohner sind auf den heutigen Sonntagabend unterwegs, schlendern durch die Straßen. Ohne Fährenbetrieb ist es wesentlich gemütlicher, keine Menschenmassen und Fahrzeugstaus, sondern einfach nur das normale Leben in einem griechischen Inselstädtchen.

So langsam begeben wir uns wieder zur Bushaltestelle, wollen den Viertel-vor-neun-Bus nehmen, der auch pünktlich bereitgestellt wird. Der Busfahrer lässt sich von den schnellen Rhythmen aus dem Radio mitreißen und fährt einen heißen Reifen. Im Nullkommanichts kommen wir in Thérma an, wo wir uns gleich in unsere Lieblingstaverne „Parádisos“, unter der Platane, niederlassen.
Erstmalig kosten wir ein Garidopílafo (ein Reisgericht mit Krabben und Muscheln), köstlich gewürzt, in einem Steintöpfchen aus dem Ofen serviert. Daneben gibt es Käsepaste (pikant), Brot und ein gut gekühltes Amstel. Jammas! Danach rollen wir in unsere nur wenige Meter entfernte Unterkunft und schlafen wie die Brote.

Letzter Tag in Thérma