Die ersten Tage in Thérma



Nach dieser ersten, improvisierten Nacht teilt uns unsere Vermieterin am Morgen mit, dass das Zimmer doch erst am Folgetag frei würde. Es sei weiterhin ganz schwer, im Ort ein Zimmer zu bekommen, und sie böte uns an, eine weitere Nacht in ihrer Küche zu schlafen. Diese Nachricht hebt unsere Laune nicht wirklich, irgendwie fühlen wir uns hingehalten. Recht genervt setzen wir uns in das große Café an der Bushaltestelle und schlürfen einen 2,50 €-Frappé, verbringen den restlichen Vormittag damit, nach einer anderen Unterkunft Ausschau zu halten. Fehlanzeige. Uns bleibt also nichts anderes übrig, als weiter in der Küche zu nächtigen und nicht an unser Gepäck zu kommen, weil einfach kein Platz ist, dieses auszubreiten.
Um den Tag aber nicht vollends zu verlieren, machen wir uns später ziemlich schlecht gelaunt auf zu einer weiteren Ortserkundung.

Die Schwefelbäder

Ein modernes Badehaus bietet verschiedene Möglichkeiten; auch in der freien Natur, rechts oberhalb des Badehauses, sind Becken angelegt. Holzeinfassungen bieten Sitzgelegenheiten, um die Beine ein wenig ins Becken zu halten. Kein Problem, auch mit dem ganzen Körper in die ein wenig faulig riechende, aber so heilsame Schwefelbrühe zu tauchen. Im oberen Becken ist das Wasser recht heiß, wird dann in ein weiteres Becken geleitet, und ist dabei schon auf lauwarme Temperaturen abgekühlt. Das heiße Wasser soll rheumatische und arthritische und etliche andere Beschwerden lindern helfen. Nur für Krampfader-Geplagte ist das nichts – wegen der Temperaturen. Also halte ich die Haxen lediglich in das lauwarme Wasser – und es wirkt. Schon nach ein paar Minuten fühlen sich die Beine ganz leicht an.

Ein wenig unterhalb dieser winzigen Anlage gibt es noch ein öffentliches, gemauertes „Badehäuschen“ ohne Türen. Hier kann man sich ausziehen und ohne Kleidung in ein Becken mit erheblich heißerem Schwefelwasser eintauchen, was ebenfalls gerne genutzt wird. Sicherlich ist es auch im Winter ganz toll, wenn es draußen klamm und kalt ist, sich ein leichtes Körpergefühl zu verschaffen.

   Schwefelbäder sollen Linderung verschaffen bei:
- Hautkrankheiten - insbesondere chronischen Ekzemen
- rheumatischen Beschwerden
- Arthrose und Arthritis in jeder Form
- Knochen- und Gelenkbeschwerden aller Kategorien
- Beschwerden der Leber, der Galle und bei Gallensteinen



Durch den Platanenwald zu den Becken ("Wáthres")

Gegenüber der Obstauslage des Minimarktes biegen wir in die Dorfgasse ein, die nach einer weiteren Linkskurve an der Bäckerei vorbei führt, und der wir im weiteren Verlauf folgen. Privathäuser und Tavernen säumen den Weg, doch zur Mittagsstunde sind die meisten Menschen noch nicht auf Essen eingestellt. Aus einem der Lokale an dem Weg, in den wir eingebogen sind, erklingt ein Lied, gesungen von Pantelís Thalassinós. Das gefällt mir gut und stellt uns in Aussicht, einmal bei Musik dieses von uns verehrten Künstlers zu speisen. In der Mittagshitze schwitzend gehen wir nun leicht bergan. Am Straßenrand tauchen immer häufiger Bäume mit enormem Umfang auf.


Gleich hinter dem letzten Haus beginnt dann der Wald mit den uralten Platanen, knorrig, dick. Ein ausladender Platz, in den der Wind mit Sicherheit manchmal stürmisch hineinpfeift, bildet den Waldeingang. Wir sind sehr beeindruckt von den Ausmaßen der Bäume. In anderen Orten ist man "stolz" auf EINEN dieser Riesen, wie z.B. in Tsangaráda auf der Halbinsel Pílion oder auf dem zentralen Platz der Nekropole von Argiroúpolis auf Kreta. Hier, bei Thérma, findet man diese mächtigen Kolosse gleich dutzendweise.


Einige Schmuckverkäufer haben hier am Waldeingang ihre Stände aufgeschlagen, gleich gegenüber den örtlichen Trinkwasserbehältern.

Immer wieder bleiben wir ehrfürchtig staunend vor den vielen jahrhundertealten Platanen stehen. Die Äste vieler Bäume sind abgebrochen, wie tiefe Wunden in den Stämmen erzählen sie uralte Geschichten. Eine Platane steht auf Wurzelstelzen, dicker als Elefantenbeine mitten im trockenen Bachbett. Eine andere hat riesige Ausstülpungen am Stamm, in die Felsstücke mit Wucht hineingerammt wurden. Wie eine Märchenfigur, nimmt sich dieses Bild aus, eine Riesenechse, die den Stein im Mund festhält und sich in der nächsten Sekunde blitzschnell herumdreht, um ihn wegzuschleudern.



Das Wurzelwerk einer weiteren Platane gleicht den Tentakeln eines Riesenkraken, die sich mit aller Macht in der Erde festkrallen. Urgewaltige Bilder in einem uralten Wald, dessen Faszination von der Ehrwürdigkeit seiner Bewohner herrührt.


Ein Bach fließt durch einen schmalen Kanal, der von einem Pfad gesäumt wird und sich bergan schlängelt und dem wir folgen. Nach wenigen hundert Metern erreichen wir das erste Becken ("Wáthra"), in dem sich viele Menschen tummeln; eine von der Natur über tausende von Jahren hinweg gehöhlte Gesteinskuhle, die nur leicht von Menschenhand an den Rändern befestigt wurde, um von hier das Wasser durch den schmalen Kanal bergab zu leiten, lädt zur Abkühlung förmlich ein. Mehrere solcher Becken hat der Fluss von der Quelle, hoch oben in den Bergen, geschaffen, die jedoch nur schwer zu erreichen sind.


Hinter dem ersten Becken suchen wir uns zunächst ein Plätzchen am Bach auf einem riesigen Stein, um etwas auszuruhen und die Füße ins Wasser zu halten. Ein friedlicher Ort, das Plätschern übertönt jedes menschliche Geräusch. Wir befinden uns nun in einer Schlucht, durch die sich das Wasser seinen Lauf sucht. Gerne möchte ich das Flussbett einmal im Winter oder Frühjahr sehen, bestimmt donnert dann das überschäumende Wasser mit ohrenbetäubendem Getöse herunter. Hier ist es wunderbar kühl, und die Stimmung am klaren und sauberen Wasser entschädigt uns für die Unannehmlichkeiten.

Zum Weitergehen bzw. -klettern wäre jetzt gutes Schuhwerk angebracht, um auf den Steinen und den recht glatten Felshängen einen einigermaßen guten Halt zu haben. Doch fast alle sind mit Sandalen oder Badelatschen unterwegs, da man ständig mit Wasser in Berührung kommt.

Nur ein paar Meter hinter dem ersten Becken befindet sich eine Senke mit mehreren Metern Durchmessern, in der das Wasser fast mannshoch steht. Jeder versucht, seine Sachen halbwegs trocken ans andere Ufer hinüber zu bringen und selbst möglichst nicht in das tiefe Wasser zu geraten, denn es ist SEHR kalt. Eine Möglichkeit bietet sich an der linken Seite der Wasserkuhle, doch die Felsen unter Wasser sind so glitschig, dass jeder, der diesen Weg versucht, automatisch im Wasser untertauchen wird - auch mit Kleidern.

Nachdem wir uns amüsiert die halbherzigen oder auch wagemutigen Versuche angeschaut haben, um durch diese Senke zu kommen, müssen wir feststellen, dass es uns nicht erspart bleibt, uns bis auf die Badesachen auszuziehen, um uns ins Becken hineinzuwagen und nun unsererseits zum Amüsement der anderen Beobachter beizutragen.

Es kommt, wie es kommen muss: Beide geraten wir in die tiefste Stelle, wo das Wasser fast bis zu den Schultern reicht und uns eine sehr erfrischende Abkühlung verschafft. Immerhin bleiben die Kleider und der kleine Rucksack (über dem Kopf) trocken.

Der weitere Weg gestaltet sich als Kletterpartie. Rechts des Flusslaufes kann man sich auf glatten Felsen kaum festhalten, nur einige Vorsprünge helfen dabei, sich nach oben zu katapultieren. Belohnt wird man mit dem Blick auf ein weiteres Becken, in das sich ein schmaler Wasserfall aus einigen Metern Höhe ergießt.

Eine "Massagedusche" unter dem Wasserfall ist auf jeden Fall zu empfehlen, doch uns kommt es vor, als ob das Wasser noch kälter ist als in den Becken vorher. Auf einem Handtuch machen wir es uns bequem und beobachten, wie sich die Leute ihren Weg weiter nach oben, am Wasserfall entlang suchen.


Uns ist es zu gefährlich, ohne rutschfeste Schuhe weiterzuklettern. Nichts ist gesichert, betreten auf eigene Gefahr. Aber gerade das macht wohl den Reiz aus. Man berät sich über den besten Weg und hilft sich über Klippen und Abgründe hinweg. Bergan mag es noch nicht so schwer sein, doch die andere Richtung, wenn die Beine schon müde und zittrig sind, bietet eine andere Perspektive, nämlich die nach unten, die vielen nicht so geheuer vorkommt und die Hilfestellung der Mitwanderer erforderlich macht.

Ein junger Mann klebt mit weit gespreizten Armen und Beinen wie ein Salamander kopfüber an einem Felsen. Nichts geht mehr, weder vorwärts noch rückwärts. Es sieht ziemlich witzig aus, wie auch seine Freunde finden, die ihn schließlich aus seiner Zwangslage befreien müssen. Danach trommelt er sich auf die Brust und ruft laut aus: „Jetzt kann ich überall hin!“

Nach etlichen Stunden machen wir uns auf den Heimweg und genießen dabei wieder die Nähe der alten Bäume, die ihren friedlichen Zauber auf uns wirken lassen. Im Dorf möchten wir etwas essen und kehren in die "Thalassinós-Taverne" ein. Ein griechisches Paar, das wir im Wald wahrgenommen haben, kommt dort auch wenige Zeit nach uns an. Es ergibt sich ein sehr nettes Gespräch, nachdem wir die beiden an unseren Tisch eingeladen haben. In den folgenden Tagen laufen wir uns immer wieder über den Weg und gastieren zusammen in irgendwelchen Lokalen, doch schon bald reisen sie leider ab, zurück nach Thessaloníki.


Zimmersuche, Teil II

In der darauffolgenden Nacht schlafe ich nicht so gut. Recht spät sind wir in der Küche auf unsere Nachtlager gekrochen, wieder hat unsere Zimmernachbarin, die Schwester unserer Vermieterin, die beiden Glas-Verbindungstüren zu unserem Gemach einen Spalt breit aufgelassen, damit auch sie einen Hauch von Brise bekommt, der dann durch beide Räume weht. Immerhin gibt es eine Fliegengittertür, sodass wir tatsächlich einigermaßen angenehme Temperaturen haben.
Kaum bin ich eingeschlafen, erschallt von irgendwoher selbst fabrizierte Saxophonmusik. Es klingt sogar ganz gut, aber doch nicht um diese Uhrzeit !!!! Ich will schlafen! Es nutzt nichts, sich aufzuregen, wir können die Situation einfach nicht ändern.

Am Vormittag endlich können wir eines von zwei winzigen Räumchen beziehen, die etwas abseits der Anlage im Garten liegen. Beide teilen sich ebenfalls Dusche und Toilette, was mir nicht wirklich behagt. Mit dem Alter steigen dann doch die Ansprüche, die Zeiten von Campingplatz- und Strandaufenthalten scheinen für mich vorbei zu sein, wie ich konstatiere.
Unsere Betten wackeln beim Draufsetzen bedenklich, die Matratzen haben auch schon bessere Zeiten erlebt. Die Dusche zeigt langjährige Rostspuren. Um zur Toilette zu gelangen und die Tür zu schließen, muss man erst in die Dusche steigen, eine gewagte Konstruktion. An anderer Stelle hätte ich mich darüber vielleicht amüsiert, doch die Nerven liegen durch den Schlafmangel etwas blank.
Oberflächlich gesehen ist es auch sauber, doch die Schubladen sind staubig. Ich dachte immer, ich wäre nicht so pingelig, habe über die deutschen Nörgelurlauber immer die Nase gerümpft. Bin ich jetzt auf dem Weg, auch eine solche zu werden?

In der folgenden Stunde machen wir einen kleinen Hausputz, sodass wir uns dann endlich ausbreiten und wohlfühlen können. Das Nachbarzimmer ist nicht belegt, und wir hoffen, dass dies auch so bleiben möge, denn man säße sich da schon arg auf der Pelle. Entschädigt werden wir durch die köstliche Ruhe, die wir hier abseits, im grünen Garten finden. Unsere Nerven haben sich beruhigt, unser Urlaub kann nun weiter in seinen gut gelaunten Bahnen verlaufen.

Am Abend stellen wir fest, dass es den Weg hinunter in den Garten schon ziemlich düster ist, finden jedoch den Lichtschalter für die Außenlampe. Es ist brütend heiß im Zimmer, dessen Fenster in unserer Abwesenheit natürlich geschlossen waren. Ein Fliegengitter gibt es hier nicht, und so ist es unausweichlich, dass sich Insekten einfinden. Es gibt hier eine Wespenart, die Dolchwespe, die uns auch schon in einer Taverne aufgefallen ist. Die Tiere sind mindestens dreimal so groß wie „normale“ Wespen. Ein solches Vieh hat sich in unser Zimmer verirrt, und wir sind nicht bereit, es mit ihm zu teilen. Endlich gelingt es uns, ihm den Weg nach draußen zu zeigen. Was also tun – Fenster auf und Licht aus oder umgekehrt? Wir entschließen uns für Variante eins. Nee, irgendwie mag ich diese ganzen Unannehmlichkeiten nicht. Egal, wir sind hundemüde und liegen bereits gegen zehn Uhr abends im Tiefschlaf.

Gegen Mitternacht schrecken wir auf. Getöse und mehrere Stimmen direkt neben unserem Fenster, das Außenlicht ist eingeschaltet. Das kann doch wohl nicht wahr sein! Ich fühle mich wie eine Furie, kurz vor der Explosion. Noch bleibe ich auf dem Bett liegen, Alex versucht draußen bereits herauszufinden, was los ist, ich geselle mich später auch dazu, als ich meine Nerven wieder im Griff habe.

Ein Verwandter der Vermieterin hat neue Kundschaft aufgegabelt und ihnen das Nachbarzimmer angedreht. Es handelt sich hier um ein Ehepaar mit fast erwachsenem Sohn. Wie sollen sie in diesem winzigen Zimmer klar kommen – es gibt nur ein Bett und ein Sofa?

Sie sind schwer enttäuscht, wie der Mann völlig aufgelöst erklärt. Frau und Sohn versuchen, nach der langen Anfahrt aus Thessaloníki ein wenig Schlaf zu bekommen, er sitzt draußen, hat das Bedürfnis nach einer Dusche, entschuldigt sich tausend Mal dafür, dass sie uns geweckt haben. Man habe ihnen gesagt, wir seien nicht da. Er ist schier untröstlich. Auf keinen Fall werden sie hier bleiben, meint er, und auch ich drohe in die Nacht hinaus, dass – wenn wir am morgigen (mittlerweile vierten) Tag nicht umgehend eine annehmbare Unterkunft fänden - ich die Insel mit der Mittagsfähre verlassen würde!

Wir beschließen, noch ein wenig im Ort herumzuwandern und irgendwo ein Bier zu trinken, sodass die angekommene Familie sich erst mal ausdehnen und duschen kann, ohne Rücksicht nehmen zu müssen.
Bei unserem Dorfrundgang treffen wir des Nachts noch einige Zimmervermieter vor ihren Häusern sitzend an. Wir sind jetzt mal in den oberen Dorfteil gegangen. Hier gibt es wesentlich weniger Treiben, auch die Musik aus dem Café ist hier nicht zu hören, die Zimmer sind fast alle dunkel – man schläft.

Wir werden angesprochen und schildern unser Desaster, man verspricht, uns am nächsten Morgen behilflich zu sein. Bei der Rückkehr in unsere Behausung so gegen drei Uhr in der Früh sind unsere Nachbarn schon wieder ausgeflogen. Eigentlich wäre dies nun die Stunde des Saxophonisten, doch übermüde hören und sehen wir nichts mehr und gleiten in einen tiefen, traumlosen Schlaf.


Am nächsten Morgen gehen wir sogleich zu der Vermieterin, die wir des Nachts kennengelernt haben. Sie heißt Aléka und checkt die Dinge in ihrem Haus, muss uns jedoch mitteilen, dass wir bei ihr nicht unterkommen können, erst drei Tage später würde ein Zimmer frei. OK, das war`s. Ich erkundige mich lautstark nach der nächsten Fähre.

Nein, nein, Moment, es gibt doch bestimmt noch andere Möglichkeiten. Sie fragt die Nachbarn in der Pension unterhalb. Sie würden sich alle gut verstehen...und nach einigem Hin und Her bekommen wir tatsächlich ein Zimmer im Erdgeschoss, gleich das erste auf dem Gang.


Tolle Betten, Mückenschutz, eigene Dusche/WC, Kühlschrank, ausreichend Platz und Ablagemöglichkeiten, alles toll gepflegt, zum selben Preis (30 €) wie die Kaschemme, in der wir die letzte Nacht verbracht haben. Außerdem bietet eine Gemeinschaftsküche für die drei Zimmer auf unserer Etage alles was man braucht: Einen weiteren großen Kühlschrank, Kochgelegenheit (Elektro und Gas), Spüle, Geschirr, Arbeits- und Ablagemöglichkeiten.
Auf der gegenüberliegenden Straßenseite betören bereits verführerische Düfte aus einer Taverne, die unter einer mächtigen, 800jährigen Platane, im Schatten liegt, unsere Geschmacksnerven. Das kann ja heiter werden, wenn man von der Taverne nur noch etwa 10 Meter bis zum Zimmer hat! Wie im Paradies, und genau so heißt die Taverne auch: "Parádisos".


Wir sind auf Anhieb begeistert und machen uns sofort an unseren endgültigen Umzug. Beim Bezahlen der alten Unterkunft stellt sich heraus, dass die Vermieterin über den nächtlichen Ein- und Auszug der neuen Gäste nicht informiert war, ich habe meine Zweifel, ob sie uns überhaupt glaubt. Mittlerweile hat sie auch die Handtücher gebracht, um die wir sie tags zuvor gebeten hatten. Sie versucht, uns dazubehalten, doch es gibt keine Chance mehr. Bei unserem Abgang ruft sie uns hinterher, dass wir es NOCH BEREUEN werden, doch wir glauben ihr kein Wort.

Bereut haben wir den Umzug nicht, ganz im Gegenteil. Wir konstatieren: Bei allem Verständnis, dass das Geschäft mit den Touristen ein sehr hartes ist und die Saison im Prinzip nur wenige Wochen dauert, in denen man seinen Schnitt machen muss, bei allem Wohlwollen einer älteren Frau gegenüber, die im allgemeinen sehr freundlich mit ihren Gästen umgeht, sehen wir es nicht ein, 30 Euro für die dargebotene Unterkunft zu bezahlen.


Die neue Unterkunft

Von unserer neuen Unterkunft sind wir sehr angetan. Obwohl wir lieber, der Ruhe wegen, ein Zimmer etwas abseits haben, stört uns hier niemand. Im Gegenteil, unsere Nachbarn sind dermaßen nett, so dass ein abgelegenes Zimmer schon fast langweilig wäre. Natürlich wollen die ausschließlich älteren Gäste auf unserer Etage wissen, woher wir kommen und wer wir sind. Von Deutschland haben sie eine hohe Meinung, auch die, die ein paar Tage später einziehen; man habe in Stuttgart gearbeitet. "Deutschland - alles gut". Seit ihrer Zeit damals hat sich aber viel geändert, oder?

Mit einem geringen Wohlstand ist man wieder nach Hause zurückgekehrt und genießt jetzt die Freuden des Alters. Gelegentlich sieht man ältere Menschen in Bademänteln und mit einem Handtuch über dem Kopf die Straße heraufkommen. Erst später fällt mir der Groschen - sie kommen aus dem Schwefelbad. Das reizt mich auch, im Laufe der Tage werden wir es ganz bestimmt auch aufsuchen.

Im vorderen Eingangsbereich der Pension steht ein runder Tisch, daneben ein superbequemes, großes Kanapee. Hier trifft man sich, einige Frauen machen sich richtig fein und legen Lippenstift auf, um sich die Leute auf der Straße zu betrachten und eine Runde abzulästern, wie man uns lachend und ohne Scham erzählt. "Wir sehen ALLES, uns entgeht NICHTS!" Es ist aber auch interessant. Insbesondere die Besucher der Taverne "Parádisos" gegenüber ziehen das Interesse unserer Nachbarn auf sich.

Die Offenheit und der verschmitzte Humor unserer Nachbarn gefällt uns sehr. Gleich fühlen wir uns hier gut aufgehoben, es ist einfach nett.


Aufstieg zum Saos

Nicht, dass wir das ernsthaft vorgehabt hätten. Der Aufstieg zur höchsten Inselerhebung erfordert einen zeitigen Aufbruch und eine gute Kondition, denn der Weg nach oben ist steil, zumindest im unteren Bereich. Von unserer neuen Unterkunft aus braucht man nur einfach bergan zu gehen und schon ist man auf bestem Wege zur Bergspitze. Zumindest den Anfang möchten wir am Abend noch spazierend erkunden. Gleich taucht man in den Platanenwald ein, auch hier - wie bei den "Wáthres" - urige, knorrige, alte Baumriesen, die alleine schon wieder ihre Wirkung auf uns entfalten. Wäre da nicht ein knurrender Hund gewesen, von dem wir nicht sehen können, ob er angebunden ist oder nicht - vielleicht wären wir noch ein Stück weiter gegangen. So können wir nur erahnen, dass man am besten in den frühen Morgenstunden bergan steigt, um der schlimmsten Tageshitze zu entgehen. Es muss eine fantastische Tour sein, deren Ziel sicherlich einen überwältigenden Ausblick bietet.

Ausflug nach Chóra