Über Alexandroúpoli nach Samothráki



Pünktlich um 7 Uhr stehen wir mit Sack und Pack an der Haltestelle in Fanári und warten auf den ersten Bus, der uns zunächst nach Komotiní bringen wird. Nach kurzem Aufenthalt soll es weiter nach Alexandroúpoli gehen, wo wir - wenn alles gut geht - die 10-Uhr-Fähre nach Samothráki erwischen möchten. Vorsorglich haben wir uns schon ein paar Tage vorher die entsprechenden Bustickets gekauft.

Der frühmorgendliche Kaffee, gepaart mit einem ordentlichen Wassernachschub, erfordert nach der halbstündigen Busfahrt bei der Ankunft in Komotiní eiliges Handeln. Ab zur Bahnhofstoilette. Normalerweise wird diese hier, wie auch in anderen Städten, gereinigt und bewacht. Für 50 Cent erwirbt man den Anspruch einer einmaligen Benutzung. Doch so früh am Morgen hat der ältere Herr, der sonst hier seine wortkarge Wache schiebt, noch nicht Platz genommen.
Macht nichts, nichts wie rein und Türe zu. Nur kurze Zeit später beginnt der Wärter seinen Dienst, indem er seine Arbeitsstelle inspiziert. Die geschlossene Tür wird mit einem kräftigen Fußtritt traktiert, so dass der Toilettenbenutzer vor Schreck fast ins Tretklo fällt. Die erregte Frage, ob es dem Wärter noch gut gehe, wird mit einem vernehmlichen Brummen beantwortet.
Beim Verlassen der Örtlichkeit wird die Frage noch einmal streng und laut gestellt, was dieser blödsinnige Tritt gegen die Tür denn sollte. Die mit leisem Stimmchen vorgetragene Antwort, von ahnungslosem Schulterzucken und unschuldigem Augenaufschlag begleitet: „Weiß ich, ob da nicht einer gestorben ist?“


Unsere Fahrt nach Alexandroúpolis können wir gar nicht so richtig genießen. Zwar nehmen wir die Landschaft wahr, doch die Tatsache, dass der Busfahrer sämtliche kleine Dörfchen und alle möglichen Nebenstrecken mitnimmt, lässt mit zunehmender Fahrdauer die Hoffnung schwinden, dass wir die Fähre noch erreichen. Und es wäre uns schon wichtig gewesen, nicht erst spät abends anzukommen, da wir ja kein Zimmer gebucht haben. Der Feiertag steht vor der Tür, und wir vermuten, dass es ganz schön voll werden wird, auf der Insel.

Die gewohnten Bilder der Minarette und Steintafeln auf den Friedhöfen verraten uns ein ums andere Mal, dass es entlang der gesamten Strecke viele Dörfer mit muslimischen Einwohnern gibt.
Auf halber Strecke gehts sogar in die Hügel hinauf, was uns wiederum schöne Ausblicke beschert und wertvolle Zeit kostet. Na ja, kann ja außer uns keiner etwas dafür, dass wir keine Zimmer vorbestellt haben.
Die Region vor Alex/Poli heißt Mákri, und hier gedeihen die wunderbaren Oliven, die wir auf dem Markt in Komotiní gekauft und schon längst "vernichtet" haben. Eine recht große Olivengegend, die man vom Bus aus sieht.

Die Outskirts der Hafenstadt kommen in Sicht, und gleichzeitig auch jede Menge Ampeln und Haltestellen, die uns immer wieder aufhalten. Endlich ist es geschafft, der Bus biegt in die Straße ein, von der aus man die Endstation immerhin schon mal sehen kann. Etliche Busse stauen sich davor, nichts geht mehr vorwärts oder rückwärts, PKW-Fahrer hupen und schimpfen. Irgendwann dürfen wir den Bus verlassen, schnappen unser Gepäck und versuchen unser Glück, obwohl es nur noch 5 Minuten bis zum offiziellen Ablegen der Fähre sind.


In Alexandroúpolis

Voll beladen rennen wir durch die Gasse, biegen nach rechts ab. Zum Glück gehts bergab, doch der Weg von der Hafeneinfahrt bis zum Anleger zieht sich. Die Fähre ist zwar noch da, doch gerade, als wir ankommen, sehen wir, dass man dabei ist, den Anker zu lichten. Schade, ganz knapp verpasst.

Es ist heiß, und die nächste Fähre fährt erst um 17 Uhr. Plötzlich haben wir sehr viel Zeit! Eine Gepäckaufbewahrung ist nicht in Sicht. Es gibt da etwas zurückversetzt ein alt eingesessenes Hafenrestaurant. Über dem Tresen drücken die Besitzer ihre Bewunderung für den Sänger Kazantzídis aus. Ein Foto hängt neben dem anderen, davor brennt ein kleines Licht, ein Kantile, wie es in den Kirchen vor den Ikonen der Heiligen hierzulande üblich ist.

Alexis spricht den Jungen hinter dem Tresen mit einem Lächeln an: "Kazantzidis hat einen würdigen Platz dort". Der Junge erwidert die Feststellung seinerseits mit einem Lächeln.
"Wir würden gerne einen Kaffee trinken, wir haben die Fähre verpasst und müssen jetzt auf die nächste warten, ob wir wohl unser Gepäck irgendwo in einer Ecke abstellen können?" Offensichtlich hat die Mutter in der Küche durch die offene Tür mitgehört und kommt schon nach vorne. "Dort hinten ist Platz", sagt sie sogleich, "hier kommt nichts weg, wir passen schon auf", und geht wieder ihrer Arbeit in der Küche nach.
Wir sind dankbar und wissen, dass wir die freundliche Geste später mit einer Mahlzeit in diesem Restaurant belohnen werden.

Um diese Zeit ist noch nichts los. Gerade werden die Tische draußen hergerichtet und die Fischtheke bestückt.
Nach einem Frappé nutzen wir die Stunden zu einem kleinen Besichtigungsbummel in der Stadt. Wir überqueren einen breiten Boulevard, an dessen Seiten viele moderne Geschäfte etliche Kunden anziehen. Viele Lokale sind voll besetzt. In den kleinen Nebengässchen erkennt man noch eine Andeutung von früheren, kleinen Läden und Handwerksbetrieben. Nur wenige davon sind noch übrig geblieben, etliche stehen leer. In einem Laden kaufe ich ein Schokoladeneis aus der Kühltruhe mit russischer Aufschrift. Kommt zu dieser Stunde richtig gut, der Taillenfüller!
Direkt über dem Hafengelände ist ein Park mit vielen Sitzgelegenheiten angelegt. Viele ältere Herrschaften ruhen sich hier aus, beobachten das Geschehen um sie herum und erzählen sich die neuesten Geschichten. Auch wir rasten für eine Weile, denn mittlerweile steht die Mittagssonne heiß im Zenit. Nur im Schatten fühlen wir uns noch wohl und beschließen daher, nur noch durch den Fischerhafen zu bummeln und uns danach die Zeit im Restaurant zu vertreiben, in dem wir unser Gepäck gelassen haben.

Einige Schlepper haben festgemacht, von einem scharfen Hund bewacht. Mit dem ist nicht zu spaßen, so dass wir auf Abstand bleiben. Aus einiger Entfernung bestaunen wir die technischen Finessen und stellen uns vor, mit welcher Power diese verhältnismäßig klein wirkenden Schiffe bei hoher See ihren Dienst versehen. Einige Leute sitzen in der Nähe auf dem Betonboden und halten ihre mit Ködern gespickten Leinen ins Wasser. Noch hat niemand einen größeren Fang gemacht, doch zumindest jede Menge kleiner Fische sind im Wasser zu sehen.

Nach diesem schon wieder schweißtreibenden Spaziergang begeben wir uns wieder in die Taverne und nehmen draußen Platz. Herrlich, hier zu sitzen. Es gibt keine augenfälligen Besonderheiten, mit denen der Kunde hierher gelockt würde. Doch die Taverne läuft sogar sehr gut, vermuten wir. Das Essen ist gut und die Lage.... ganz alleine dort, weg vom Lärm, die gelassene und wohltuende Atmosphäre einer ganz normalen Hafentaverne. So einige Stunden verbringen wir hier, ein richtig gutes Plätzchen.

Später beschließen wir, noch einen kleinen Spaziergang hinaus bis zur Spitze der Mole zu machen. Etliche Leute sind hier am Fischen, Freizeitbeschäftigung. An einer Stelle, auf der Rückseite der Mole, im offenen Meer, wird auch gebadet. Immer noch ist es sehr heiß. Durch die Mauer, die die Mole meerwärts begrenzt, wird jegliche Brise abgehalten.


Unsere Fähre, die Nona Mary, hat schon Kurs auf die Hafeneinfahrt genommen. Es wird jedoch noch eine Weile dauern, bis wir an Bord können, denn das Schiff wird im Hafen wenden, ein langwieriges Manöver. So wie es aussieht, sind viele Menschen an Bord, die ja auch erst einmal das Schiff verlassen müssen. Gemütlich schlendern wir also zurück zum Lokal, holen unser Gepäck ab und stellen uns an der Anlegestelle zu den anderen wartenden Fahrgästen.


Viele Mitreisende stehen bereits in den Startlöchern, um den Run auf die besten Plätze auf der Fähre zu eröffnen. Konkurrenzdenken hat sich breitgemacht. Jeder will offensichtlich der erste sein, und so schiebt sich die Masse langsam, aber unaufhaltsam, in Richtung Betonkante, dorthin, wo die eiserne Rückklappe der Fähre aufschlagen wird.
Kaum hat das Schiff angelegt, strömen schon die ersten Passagiere hinein und behindern natürlich alle, die heraus wollen, was ein wütendes Gepfeife der Verantwortlichen nach sich zieht. Allein - der Krach verhallt, kein Mensch kümmert sich darum, ein einzigartiges Chaos von Menschen, die in beide Richtungen strömen und Autos, die irgendwie dazwischen das Schiff verlassen, ist entstanden.

Wir lassen uns mittreiben in diesem Gewühl, finden auf dem Parkdeck, gleich am Eingang eine Gepäckaufbewahrung für die schweren Teile. Einen tollen Platz bekommen wir ganz locker oben auf Deck, in einer der vorderen Reihen. Ganz schön voll wird der Kahn. Wie vermutet möchten viele Menschen die Feiertage auf Samothráki verbringen. Die Mischung ist ganz bunt und reicht von griechischen und ausländischen Freaks, in bunten, auffallenden Gewändern, bis hin zu griechischen Familien und Rentnern.

Wir freuen uns schon sehr auf die drei- bis vierstündige Fahrt, endlich Wasser unter dem Kiel zu haben. Noch vor dem Ablegen strömen etliche Leute bis nach vorne zum Bug und schauen den Matrosen beim Ankerhieven zu.


Die Prozedur dauert eine ganze Weile, dann verlassen wir den Hafen. Das Wetter ist famos und die Hitze auf offener See durch eine leichte Brise wesentlich erträglicher geworden.


Langsam wird die Skyline von Alex/Poli immer kleiner. Wir halten Ausschau nach Begleitern der Fähre. Delphine sind nicht zu sehen, dafür aber jede Menge Möwen, die sich mit Kampfgeschrei auf jeden Krümel stürzen, der von den Touristen über Bord geworfen wird, wendige Flieger, die diese Ritual gut zu kennen scheinen.


Nach einer Weile erkennen wir die Insel. Aus einem Dunstschleier, der sich wie ein Ring um ihren Fuß gelegt hat, erhebt sie sich aus dem Wasser bis auf über 1600 Meter Höhe.

Details sind erst viel später zu erkennen, als wir schon fast angekommen sind. Einige grüne Flecken auf der Nordseite, von der aus wir uns annähern. Mir wird der Mund wässrig gemacht, ich bin sehr gespannt. Wir wollen in Thérma absteigen, und erst jetzt wird mir bewusst, dass der Ort nicht direkt am Meer liegt. Lass` dich überraschen, höre ich immer wieder. Na gut. Bin gespannt wie ein Flitzebogen.


Vorfreude macht sich breit. Mittlerweile ist etwas mehr Wind aufgekommen, noch besser! Kinder und Hunde spielen ausgelassen auf diesem vorderen, freien Teil des Decks, auf dem sich nun stehend viele Menschen eingefunden haben, um die Szenerie zu genießen.


Mit Sonnenuntergang werden wir in Kamariótissa, dem Hafen von Samothráki einlaufen. Weitere romantische Fotos werden gemacht in diesem wundervollen ägäischen Abendlicht, das die Welt in Frieden und Wohlgefühl hüllt.




Ankunft in Samothráki

Beim Anlegen in Kamariótissa ist es schon fast dunkel geworden. Die Reisenden, die an Land warten, sind genauso bekloppt, wie wir in Alex/Poli und schicken sich gerade an, dasselbe Chaos zu verursachen, als ein Mann sich vor der Meute aufbaut und sie minutenlang bedrohlich anbrüllt. Das wirkt, und so können wir doch recht zügig von Bord, bahnen uns einen Weg quer durch den Hafen und finden die Bushaltestelle. Um 20.45 Uhr soll ein Bus nach Thérma fahren, das dauert nicht mehr lange. Auch ein paar andere Reisende haben sich eingefunden. Wir warten, nehmen die vielen Menschen und Autos wahr, und hoffen, dass es in Thérma nicht so voll sein möge. Nach der Beschaulichkeit von Fanári ist das hier ein wahres Kontrastprogramm an Gewusel und Lautstärke.


Busverbindung 2007:
Kamariótissa – Thérma – Camping – Kamariótissa
7.15 – 8.45 – 10.30 – 13.00 – 15.00 – 19.15 – 20.45 – 23.00

Tatsächlich kommt um viertel vor neun der Bus. "Camping!", "Thérma!" schreit einer herum, es handelt sich also unmissverständlich um unseren Bus. Fast ausschließlich Freaks steigen ein, bin einigermaßen überrascht, denn das habe ich schon lange nicht mehr erlebt. Erinnert mich ein bißchen an damals........, bis ein Handy klingelt. Nee, Handys hatten wir keine.

Gute 20 Minuten sind wir auf einer Küstenstraße unterwegs, als der Bus abbiegt und die paar hundert Meter bis zu unserem Zielort zurücklegt. Mitten in einer Menschenmenge wird angehalten, nur wenige Fahrgäste steigen aus. Aha, der Rest fährt also weiter zum Campingplatz am Meer.

Irgendwie erschlägt mich das Chaos gerade ein wenig. Überall Hippies, zumindest von der Optik her. Dazwischen Motorradfahrer oder auch solche, die versuchen, ihre Autos durch die Menge zu karren. Jongleure üben ihre Kunst und etliche Schmuck- und Saftverkäufer haben ihre Stände rechts und links der Straße aufgebaut. Eine schlichte Beleuchtung lädt zum Anschauen und Kaufen ein.
Sehr viele Gäste bevölkern außerdem ein Lokal, das im Halbdunkel liegt. Laute Musik beschallt die Peripherie des großen, voll besetzten Cafés, das schon seit vielen Jahren traditionell Alt-, Jung- und Wochenendhippies anzieht. Im Café selbst sitzt man unter uralten Bäumen so ziemlich im Dunkeln. Hier bereits beginnt der Platanenwald, den ich aber bei diesem Licht nicht so recht wahrnehme. Schräg gegenüber steht der frühere Kiosk, der sich zu einem Andenken-Postkarten-Laden entwickelt hat.

Erneut erkennen wir, dass wir viel zuviel Gepäck mit uns herumschleppen. Ganz umständlich schleppen wir den Kram durch die gesamte Kneipe bis ganz nach hinten, wo wir noch einen freien Tisch ergattern. Wie unpassend, mit einem spießigen Trolley zu reisen! Viele Männer mit langen Haaren, die kunstvoll mit Tüchern hochgebunden oder zu Rastazöpfen gedreht wurden, und schlanke, braungebrannte und schöne Frauen, beide teilweise in oberlegeren Designerklamotten im Hippie-Look, beherrschen auf den ersten Blick um diese Uhrzeit die Szene. Am Morgen ist auch noch anderes Publikum unterwegs.
Hier braucht man allerdings ein gut gefülltes Portemonnaie, denn eine kleine Flasche Amstel oder ein Frappé kosten je 2,50 €, ein stolzer Preis. In dieser Situation ist das jedoch ziemlich unerheblich, denn wir haben immer noch kein Zimmer. Während ich auf das Gepäck achte, wird die Lage für eine Unterkunft sondiert. Ich sitze da, und warte......


Zimmersuche, Teil I

Um diese Jahreszeit und gerade um den 15. August herum ist es sehr schwer, ohne Vorbestellung ein Zimmer zu bekommen. Wir hatten – wie auch so manch anderer – nicht vorbestellt. Immer wieder hört man: Alles besetzt, kommt morgen, übermorgen, in einer Woche wieder. Daher entscheiden wir uns kurzfristig für das Angebot einer älteren Zimmervermieterin, diese eine Nacht in ihrer Küche zu verbringen. Na ja, was soll`s, selber Schuld. Immerhin soll tags drauf ein Zimmer frei werden, das wir dann beziehen können. Und so ziehen wir zu später Stunde in diese Küche ein, nächtigen teilweise auf einem Sofa, teilweise auf dem Boden. Unser Gepäck wird unter dem Tisch verstaut, uns stehen Gemeinschaftstoilette und –dusche zur Verfügung.

Später schlendern wir noch ein wenig durch das Dorf. Ein Lebensmittelgeschäft, - hier gibt man sich förmlich die Klinke in die Hand – bietet so ziemlich alles, was man braucht. Es gibt auch einen Bäcker mit angeschlossenem Café, in dem sehr köstliche Preziosen hergestellt werden. Selbst eine Fleischerei befindet sich am Ort. Zahlreiche Tavernen laden ein, etliche liegen am Ortsausgang in Richtung Wáthres, einer der Besonderheiten dieses Ortes. Doch die schauen wir uns erst am nächsten Tag an. Irgendwann begeben auch wir uns nach dem langen Tag zur Ruhe und schlafen mit vielen Unterbrechungen ein.

Die ersten Tage in Thérma