Der Basar von Komotiní



Den Markt von Komotiní möchten wir uns auf jeden Fall anschauen und stehen dafür sogar extra früher auf. Der 9-Uhr-Bus schaukelt uns wieder durch die Dörfer und nimmt unterwegs Einheimische mit auf, die dasselbe Ziel haben.

Wieder faszinieren mich die verschiedenen religiösen Symbole in den Dörfern, die Menschen hingegen wirken sehr gelassen hinsichtlich der unterschiedlichen kulturellen Prägungen. Alles ganz normal und selbstverständlich.

Bald ist der Busbahnhof von Komotiní erreicht, wo uns erneut eine schwüle Hitze entgegenschlägt. Im KTEL-Gebäude rasten wir deshalb und trinken zuerst einmal etwas Kaltes. Das erinnert mich doch an den "Míres-Effekt", wo man bei der Ankunft zum samstäglichen Wochenmarkt ebenfalls feststellen muss, dass die Stadt spürbar extremere Temperaturen aufweist als die Orte der Umgebung, d.h. im Sommer ist es noch ein paar Grad heißer, im Winter umgekehrt noch kälter.

Nach unserer Erfrischung trotten wir los in Richtung Nordosten. Noch bis vor kurzem fand der Markt dienstags statt. Die räumliche und zeitliche Verlegung auf samstags wird von den Einheimischen allgemein nicht so gutgeheißen wird, denn früher sei der Markt noch viiiel größer gewesen.

Um ehrlich zu sein, hat mich das bunte Treiben schon beim ersten Anblick vollkommen in seinen Bann gezogen. Die Eindrücke, die man in den einzelnen Dörfern auf der Strecke erhält, kumulieren hier auf kleinstem Raum.

An einem Stand wird etwas lautstark angeboten, dass die Aufmerksamkeit einiger Frauen erregt, die sich um den Marktschreier scharen.


Ob bedeckt oder freizügig, ob traditionell oder modern gekleidet - hier treffen die Kulturen aufeinander, ohne dass nach außen hin die Nase gerümpft wird oder man Missfallen über die Andersartigkeit der Anderen kundtut. Türken, Roma, und andere Bevökerungsgruppen, jeder möchte hier sein Geschäft machen.

Wie es in den Köpfen der Menschen aussieht, das kann ich natürlich nicht beurteilen. Es mag durchaus sein, dass die Tatsache, dass es ethnische Minderheiten gibt, die jedoch als solche nicht anerkannt sind, auch zu nationalistischen Tendenzen führen kann. Doch auf mich als Außenstehende wirkt der alltägliche Umgang miteinander vollkommen selbstverständlich und gelassen.

Wo bei uns in Deutschland seit einer Ewigkeit über das Für und Wider eines Kopftuchverbots diskutiert wird, erlebe ich hier einfach alle Ausprägungen nebeneinander. Warum soll nicht jede/r so leben, wie er/sie es möchte, solange man die Anderen in Ruhe lässt? Warum müssen sich Angehörige von Minderheiten an die Vorgaben der Bevölkerungsmehrheit eines Landes, in dem sie leben, derart anpassen, dass sie ihre kulturelle bzw. religiöse Identität zumindest teilweise aufgeben müssen? Wäre es nicht sinnvoller, allen Einwohnern ein breites Bildungsspektrum anzubieten, von dem alle gleichermaßen profitieren können? Sprachenvielfalt, um voneinander zu lernen. Künstlerische und religiöse Vielfalt, um durch das "Bewusstwerden der Andersartigkeit die eigenen Ängste vor dem Fremden zu verlieren und statt dessen das Gemeinsame zu finden". (Danke für den Gedanken, Alex)

Auf jeden Fall bin ich fasziniert und voller Freude darüber, dass solche friedlichen Koexistenzen der unterschiedlicher Kulturen wie hier in Westthrakien scheinbar selbstverständlich möglich sind.


Es gibt große Stände mit vielfältigen Waren, andere haben ihre wenigen Verkaufsartikel in Schüsseln oder Säcken vor sich stehen oder einfach auf der Straße ausliegen. Es gibt nichts, was es nicht gibt. Besonders die Gewürze haben es uns angetan, und damit decken wir uns reichlich ein. Oregano gedeiht hier in der Umgebung besonders gut.


Auch "edle Gewürze" wie Paprika und Curry gibt es hier zu kaufen, ebenso wie eine Kotelettgewürzmischung, die uns in den höchsten Tönen angepriesen wird. Ich bleibe jedoch beim landesuntypischen Curry. Die gekaufte Menge wird uns für die nächsten Jahre reichen.


An einem weiteren Stand begegnet uns ein alter Bekannter aus den Weißen Bergen Kretas: Der "Tsai tou vounoú" (Bergtee) gehört mit zu meinen Lieblingsteesorten.
Unvergessen eine Wanderung durch die Samariá-Schlucht von unten nach oben, zur Omalós-Ebene und eine völlig verschwitzte und ermattete Ankunft in unserem Hotel auf dem Plateau. Unser Wunsch ist eine Tasse Kaffee, statt dessen serviert man uns diesen herrlichen Tee, der die Lebensgeister sofort wieder wachrüttelt und uns ein warmes, wohliges Gefühl vermittelt.

Die Romni, die mit ihrem Gewürzkarren mitten im Weg steht, hat auch einige Leckerein parat, unter anderem Nelken von feinster Güte, die ganz stark duften. Wir kaufen von jedem etwas, können einfach nicht widerstehen.

Feinste Mákri-Oliven werden in unterschiedlichster Sortierung angeboten. Mákri, das ist die Gegend noch vor Alexandroúpolis, die für ihre Olivenhaine in ganz Griechenland berühmt ist.
Es gibt fleischige Oliven (ähnlich denen aus Kalamáta) in verschiedenen Variationen, aber auch die sogenannten "Mavromátes", die etwas verschrumpelt wirken und ganz anders schmecken. Grüne und schwarze nebeneinander. Alles, was das Herz begehrt.
Probieren darf man auch und sollte dabei aufpassen, dass man nicht auf den vielen Olivensteinen, die schon vor den Ständen auf dem Boden liegen, ausrutscht.
Wir entscheiden uns für ein Kilo fleischiger Oliven, zusammen mit dem Pasturmá einfach eine traumhafte Komposition, die das Wasser im Munde zusammenlaufen lässt.

Nachdem wir den Gemüsemarkt gesehen haben, brauchen wir unbedingt etwas zu trinken. Die Hitze staut sich zwischen den Ständen, wir schwitzen. An einer Grillbude gibt es kaltes Wasser aus einem Kanister. Gleich zapfen wir unsere Flasche nochmal auf Vorrat voll.
Auf Deutsch lamentieren wir ein wenig über die Temperaturen, sind aber der Meinung, dass wir den Markt für nichts in der Welt verpasst haben wollen. Da spricht uns jemand ebenfalls auf Deutsch an. Der Dienstagsmarkt sei viiiel größer und besser gewesen, meint auch er. Er komme aus Stuttgart, dort lebe er, sei jedoch gebürtig aus Komotiní und gerade hier auf Urlaub. So klein ist die Welt. Wir plauschen noch ein wenig, bevor wir uns um den Nonfood-Bereich des Marktes kümmern.


Stoffe, Kleider, Schuhe, Haushaltswaren, Teppiche, aber auch Flohmarktartikel werden feilgeboten. An einem chinesischen Stand erstehe ich einen Fächer, dessen Blätter mit einem zarten Duft getränkt sind und der mir in den folgenden Wochen noch großartige Dienste leisten wird.

Zum Ausgang hin erleben wir noch ein Wunderland der luftigen Stoffe, das wir kurzerhand betreten und feststellen, dass dieser große Stand von russischen Landsleuten geführt wird.


Dort, wo wir den Markt am Anfang betreten haben, kniet ein Mann mit einem Strauß großer bunter Luftballons mitten auf der Straße und wartet auf interessierte Kundschaft. Ein kleiner LKW steht am Straßenrand und bietet eine ganze Ladefläche voller Wassermelonen feil.

Von links lamentiert eine Stimme. Sie gehört einem älteren Mann, der im Rinnstein sitzt und einen riesigen schwarzen Schirm über sich hält. Ein jüngerer Mann, eingewickelt in eine Stoffbahn aus dem russischen Stoffparadies, liegt mit dem Kopf auf dem Schoß des älteren. Seine Augen sind geschlossen, das Gesicht unbewegt. Der ältere Mann klagt, sein Sohn sei sehr krank, er brauche dringend Geld für eine Operation.
Ich weiß ja nicht, ob das wirklich stimmt oder ob man hier einfach nur eine theaterreife Darbietung abliefert, beides ist mir jedoch etwas Geld Wert.

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Völlig geschafft wandern wir schließlich wieder in Richtung Platía Irínis, um uns ein wenig auszuruhen. Wir brauchen über eine Stunde, um die Körpertemperatur auf ein erträgliches Maß herunterzukühlen, bevor wir uns entschließen, einen weiteren Verwandtenbesuch zu starten.
Der Bus fährt direkt ins Dorf. Ein lustiger und wortreicher Nachmittag folgt bei einem Traum-Auberginenbriám, das im Dorf wohlbekannt ist.


Am Abend pilgern wir zu Dóra und Pános nach Megálo Kranovoúni. Gerade haben sie ihr Lokal "Néo Kíma" (Neue Welle) geöffnet.
Auf einer einladenden Terrasse, umgeben von Bäumen und Sträuchern, verbringen wir die nächsten Stunden, teilen uns einige Biere mit den jungen Wirtsleuten. Es gibt viel zu erzählen.

Etliche Jahre und Jahrzehnte hat man in Norddeutschland beste Erfahrungen in der Gastronomie sammeln können. Erst seit zwei Jahren sind sie wieder zurück in Griechenland, wollen bei der Familie sein, das griechische Leben genießen und wissen, dass der Restaurantbetrieb viele Stunden des Tages auffrisst. Doch sie machen ihren Job gerne, sind mit Leib und Seele dabei.

Das erfahren wir auch später, als wir uns an den Kochkünsten der beiden erfreuen können. Eigentlich wollten wir nur eine Kleinigkeit essen, doch das hier artet schon wieder in ein Gelage aus. Teller um Teller wird aufgefahren, es schmeckt vorzüglich. Die Speisen sind mit aller Liebe und Sorgfalt zubereitet, das schmeckt man bei jedem Bissen. Besonders empfehlenswert sind die "Papoutsákia" (kleine Schuhe), die gefüllten Auberginen. Ein wahrer Genuss, den wir so schnell nicht vergessen werden.

Nachtrag: Wie schade, dass es das Restaurant nicht mehr gibt. Die Besitzer arbeiten wieder in Deutschland.

Es ist schon ziemlich spät, als wir schließlich aufbrechen. Auch die anderen Gäste sind schon fast alle nach Hause gegangen, nur noch ein Tisch ist besetzt. Junge, Junge, was haben wir wieder zugeschlagen, wenn das so weiter geht, werden wir nach Hause rollen. Doch wir bereuen nichts und freuen uns schon auf ein Wiedersehen bei unserem nächsten Besuch in Nordgriechenland.

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Den folgenden Tag verbingen wir wieder in Fanári, liegen träge am Strand, trödeln auf der Terrasse herum und packen schließlich unsere Sachen, denn morgen möchten wir in aller Früh nach Alexandroúpoli und weiter mit der Fähre auf die Insel Samothráki fahren.

Über Alexandroúpoli nach Samothráki