Ankunft in Thessaloníki



Endlich ist es soweit, der seit Wochen (ach, was sage ich: seit Monaten!) heiß ersehnte Urlaub kann beginnen !! Unsere Maschine der Aegean Airlines ab Frankfurt bietet sämtlichen Komfort, vor allem Beinfreiheit und einen freundlichen Service. Der Kapitän eröffnet das Ritual und hält einen ziemlich langen Vortrag, von dem ich weder auf Griechisch noch auf Englisch allzu viel mitbekomme. Das macht aber nichts, Hauptsache es geht los!


Immer, wenn ich in einem Flieger sitze, gehen mir die Zeilen von Reinhard Mey durch den Kopf: "Über den Wolken muss die Freiheit wohl grenzenlos sein! Alle Ängste, alle Sorgen, sagt man, blieben darunter verborgen, und dann würde, was uns groß und wichtig erscheint, plötzlich nichtig und klein.....".

Unterwegs haben wir tatsächlich eine fast geschlossene Wolkendecke. Schade, dass wir nichts sehen können, doch insgeheim freuen wir uns am meisten darauf, bald wieder in Griechenland zu sein.
Kurz vor der Landung überrascht uns der Flugkapitän mit der Durchsage, dass unter uns ein Gewitter aufzieht. Wenige Minuten später setzt er die Maschine butterweich auf der Landebahn in Thessaloníki auf. In Erwartung einer brütend heißen Stadt sehen wir, wie sich dunkle Wolken zusammenbrauen. Sie verheißen Regen. Und das im August? Schwüle, feuchte, tropisch anmutende Luft macht das Atmen schwer, eine einzige Bewegung treibt den Schweiß aus allen Poren. Deshalb entscheiden wir uns gegen den Stadtbus 78, der in die Innenstadt (und weiter bis zum überregionalen Busbahnhof) fährt, und für ein Taxi, zumal wir keine Unterkunft vorgebucht haben und auch nicht so genau wissen, wo wir suchen möchten.

Thessaloníki wirkt am heutigen Samstag ruhig, im Sommer fahren die meisten Städter übers Wochenende in ihre Sommerhäuser auf der Chalkidikí oder sind im Urlaub in anderen Gefilden. Nur mäßiger Verkehr im Gegensatz zu den ohrenbetäubend lauten und lärmenden Städten Kretas.

Ein Hotel in der Innenstadt, in der Nähe des Zugbahnhofs, an der Egnatía Odos, ist schnell gefunden. Das Zimmer zu 50 € inkl. reichhaltigem Frühstücksbuffet im 7. Stock, Wasserflecken an der Decke unseres Zimmers und die Ausstattung ist auch schon älteren Datums. TV und Klimaanlage runden das Ensemble ab. In diesem Viertel gibt es etliche Hotels. Vorteilhaft ist die verkehrsgünstige Lage, mit Bushaltestellen, die auch die städtischen Linien zum Zug- und überregionalen Busbahnhof und zum Flughafen bedienen.

Bald nach unserer Ankunft wollen wir uns die Beine vertreten, bevor wir uns ein Esslokal suchen. Wir entschließen uns zu einem Spaziergang am Meer, auf der „Nikis“ bis zum Weißen Turm und dem Alexanderdenkmal. Die Uferpromenade an der Wasserlinie ist durch einen Bauzaun abgesperrt. Aus den gut besuchten Lokalen gegenüber, auf der anderen Straßenseite, hätte man ansonsten ideale Ausblicke auf das Wasser.

Bis wir uns durch die schmale Straße, zwischen Bauzaun und Cafés, gequetscht haben, ist es schon ganz dunkel geworden. An der sich anschließenden, sehr breiten Uferpromenade haben einige Ausflugsschiffe angelegt. Jedes ist auf eine ganz besondere Weise hergerichtet (waren früher evtl. Fischkutter). Ein Piratenschiff, eine Karibikdschunke in Rastafarben und andere, alle schön ausgeleuchtet, über einen schmalen Steg erreichbar. Jedes vertritt eine eigene Musikrichtung. Der Eintritt ist frei, ebenso wie auch die halbstündigen Rundfahrten, die in regelmäßigen Zeitabständen durchgeführt werden. Wahrscheinlich werden die Kosten durch die Getränkepreise hereingeholt, mutmaßen wir. Eine gute Idee, einen Teil des Abends auf einem der Schiffe zu verbringen.

Ein buntes Treiben, es ist Vólta-Zeit. Geröstete Maiskolben, Nüsse und Gegrilltes erfüllen den Abend mit appetitanregenden Düften. Zwangloses Flanieren der Menschen im Schatten des angestrahlten, monumentalen Denkmals von Alexander dem Großen; die glatten Flächen drum herum laden Skateboard-Fahrer ein, ihre Kunstfiguren zu üben. Niemand erscheint uns sonderlich aufgedonnert, kein einziger ausländischer Tourist weit und breit. Hier halten wir uns noch ein wenig auf, schauen den Menschen beim unbeschwerten Herumschlendern zu. Eine gelassene Wochenendstimmung hat sich breit gemacht.

Mit viel Vorfreude auf ein reichhaltiges griechisches Abendmahl machen wir uns auf den Weg. Im Gassengewirr, in der Nähe des am Wochenende leider geschlossenen Marktviertels (zurück in Richtung unseres Hotels), entdecken wir eine große Ouzerie. Im Prinzip nimmt das Lokal fast die gesamte Gasse ein. Später erfahren wir, dass es sich hier um die Ouzeriekette „Mélathron“ handelt, die auch in anderen größeren Städten Griechenlands Filialen betreibt.
Vor dem Lokal sitzen ein Gitarrist und ein Bouzouki-Spieler, beide singen und spielen sie die bekannten Lieder, Rembétiko. Damit geht schon einer meiner Wünsche in Erfüllung: Zumindest einmal wollte ich einen Abend mit Bouzoúki-Livemusik erleben. Ich wusste noch nicht, dass dieser Wunsch sich später noch auf ganz andere Weise erfüllen würde.
Das Lokal und die Gasse davor ist voll besetzt mit Einheimischen, wir finden noch einen letzten Platz genau hinter den Musikern. Jung und alt, größere Paréas und Paare haben Platz genommen, um einen größeren Teil des Abends hier zu verbringen. Niemand sitzt allein.

Die langaufklappbare Karte freilich bewahrt ihre kulinarischen Geheimnisse weitestgehend für sich. Fantasie- und humorvolle Namen umschreiben diverse Gerichte, auch an den Wänden angebrachte Gemälde der Köstlichkeiten nebst deren „Geburtsjahr“ wirken nicht wirklich erhellend. Unter „Omas krummen Beinen“ oder ähnlichen Umschreibungen können wir uns nichts vorstellen, und ich hatte schon zu Anfang gedacht, ich sei zu doof, um die Speisekarte zu lesen. Eine Theke mit Warmehalteschalen, aus denen man sich Entsprechendes hätte aussuchen können, gibt es hier nicht, wir befinden uns schließlich in einer Ouzerie und nicht in einem Restaurant (Estiatório).

Also bestellen wir bei einem der überaus flinken Kellner ins Blaue hinein irgendwas Fischiges mit Patátes aus dem Ofen und Tsatsiki, dazu einen offenen Retsina, leicht geharzt und gut gekühlt.
Wir bekommen zwei große Teller mit kleineren Fischen: Die einen sind eingelegt, die anderen paniert und frittiert, dazu Oreganokartoffelscheiben vom feinsten. Der Wein, ein absoluter Genuss (später folgen noch weitere Kannen), der Tsatsiki cremig und in großer Menge. Hmmm, dazu die Musik. Wir sind in Griechenland angekommen!

Viele Stunden verbringen wir hier voller Freude darüber, dass unser Urlaub endlich begonnen hat. Die Wolken haben sich verzogen, ein warmer und lauschiger Sommerabend hat uns in seinen Bann gezogen.

Regen im August